Günter Wirth
Günter Wirth

Ortega y Gasset, Stuttgart 1978:  "Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst".

 

"... Das  >>Veständnis<<  eines Kunstwerkes läßt Kunst in den Augen vieler Menschen volksfern, ja sogar volksfeindlich sein, einfach deshalb, weil es das Publikum einteilt.  In solche, die  >>verstehen<<  (oder angeben, daß sie verstehen), und in andere, die eben  >> nicht verstehen<< ! ..."  

 

 

Friedrich Schoenfelder, Berlin, März 1995:  Günter Wirth - Ausstellung in der Galerie Jasna Schauwecker.

 

"Es genügt eben keineswegs, ein Kunstwerk zu bewundern, es >>schön<<  zu finden, sich von seiner Ästhetik umgarnen zu lassen - wir müssen lernen, es zu

verstehen!"

 


 Maren Kroneck, Saalfeld/Saale, 27.9.1997:  "Laudatio zur Vernissage".

 

" Mit Günter Wirth stellt Ihnen die Saale-Galerie einen international bekannten Künstler vor, in dessen Biographie auch Saalfeld benannt ist. 1944/45 besuchte er hier das Gymnasiun und erhielt privaten Zeichenunterrichr bei Paul Münchhagen. Als 12Jähriger zeichnete er den "Hohen Schwarm" (s. Abstrakte Arbeiten). Diese Schülerzeichnung setzte er auf interessante Weise in Bezug zu seiner Kunstauffassung von heute. So entstand seine Saalfeld-Hommage (1944/1997).

 

Wirth hat also eine besondere Beziehung zu dieser Stadt. Im vergangenen Jahr trat er unserem Kunstverein bei, und er stellte 1997 die Jahresgaben für die Vereinsmiglieder zur Verfügung. Die kleinen gerahmten Collagen stehen für Sie zur Ansicht bereit. Sie sind zugleich seine Vorzugsangebote zu dieser Ausstellung.

 

Gern hätte Günter Wirth die Besucher zu dieser Vernissage selbst kennengelernt, doch leider war es ihm aus gesundheitlichen Gründen (er hatte unlängst eine Herzoperation und befindet sich derzeit in einer Reha-Klinik) nicht möglich, heute dabei zu sein.

Günter Wirths Kunst wird wesentlich vom Konstruktivismus bestimmt. Um 1920 hatten Tatlin und El Lissitzky Elemente wie die Geometrie, die Berechnung, die Exaktheit, die Nüchternheit und dir Monumentalität als Gestalt- und Ordnungsprinzipien in ihre Malerei aufgenommen. Sie setzten hart den Verstand gegen alles Gefühlige, Objektivität gegen Individualität. Die Bilder wurden nach architektonischen Gesetzmäßigkeiten gebaut, Räume durch Linien und Ebenen gegliedert und segmentiert.

 

Und Günter Wirth ist auf die holländischen Stijl-Künstler Mondrian und Van Doesburg aufmerksam geworden, die in ihrem Manifest von 1918, als der erste Weltkrieg in Europa wütete, verkündeten, daß der Mensch endlich aus den Verhältnissen Willkür, Zufall und Idividualismus befreit werden müsse, und sie setzten voll auf die Winkel, das Quadrat, sowie auf die Primärfarben Blau, Rot, Gelb und die Nichtfarben Schwarz und Weiß.

 

Später wurden von den Bauhaus-Künstlern Itten, Moholy-Nagy und Kandinsky diese "kühle Periode" des geometrischen Stils weitergeführt. Mitunter wurde für solche Werke der Begriff "abstrakt" verwendet, bis Van Doesburg den Begriff "konkrete Kunst" einführte. Zu solchen konkreten Künstlern werden u.a. auch Arp, Le Corbusier, Schwitters, Kupka oder Max Bill gezählt.

In den 60er und 70er Jahren setzten  dann Minimalisten (wie Sol  Le Witt oder Robert Morris) auf totale Vereinfachung der Form, auf Entpersönlichung der Kunst und auf die Prinzipien  Klarheit und Logik.

 

In solcher Ahnenreihe also sind die künstlerischen Wahlverwandschaften Günter Wirths zu suchen. Ihnen fühlt er sich nah.

Wirth also als Konstrukteur, Kalkulator, Monteur und Informationsästhet - ständig unterwegs zu visuellen Abenteuern im Klein- oder Großformat. Monumentale und minimale Gestaltungstendenzen auf Reißbrett oder im Computer, reduziert auf knappste Form. Viel Intellekt und Algorithmik ist dabei im Spiel.

 

So sind seine Bilder konkrete Kunst Wirthscher Prägung, zumal er mit Collagen, Siebdrucken und Computerprints arbeitet. Eine balkenartige Winkelkonstruktion - von Wirth auch als "blockhaftes  O" bezeichnet - ist zum Markenzeichen des Künstlers geworden, zu einer Chiffre, die er mit Konsequenz einsetzt, und die nun die Unverkennbarkeit seiner Künstlerischen Handschrift ausmacht.

Und er arbeitet mit kraftvollen Schnitten, schneider scharf an und weg, kippt kühn die Geometrie und schafft auf diese Weise instabile Raumsituationen, die er dann unerschöpflich zu variieren vermag. Schräge Linien, Schnitte oder gespannte Fäden simulieren eine zentrale Achse. Damit bewirkt er eine optische Teilung seiner Bilder, zweigeteilte Bildeinheiten, die zwar formal zusammengehören, jedoch auch einzeln als Kompositionen bestehen können. Die Schräglage suggeriert Bewegung, Fall, schafft Unruhe, Spannung und imaginiert einen zerstörten Bildraum.

 

Seine "Installation" zeigt, daß er darauf aus ist, seine Werke auc räumlich weiterzudenken. Ein geteiltes Bild ergibt zwei neue Bilder. Kraftlinien und Spannungen wachsen über den Bildrand hinaus und das Ausschnitthafte einer Form provoziert gedankliche Weiterführung und Vervollständigung.

 

Wirth nutzt auch vorgegebenes Bildmaterial, etwa die Aquarelle seines Künstlerkollegen Peter Schmiedel oder Abbildungen der Graffiti-Zeichner Gloom und Squier oder Detailaufnahmen der Berliner Mauer oder eigene Grafiken. So erweitert er seine streng projektierten Bildkonstruktionen auf individuelle, subjektive Weise. Dabei kontert er alles Bildhafte, Figürliche oder Situative mittels aufgesetzter gekippter Dreiecke.

 

Die Farbe setzt dazu Signale. Sie meint Licht- und Raumwerte. Er setzt Rot auf Blau oder kontert Schwarz-
Glanz mit Schwarz-Stumpf.

 

Sein Prinzip ist es, "Kunst aus Kunst" zu machen und "Bilder im Bild" zu schaffen, wie in seinen "Berlin Wall Paintings", die übrigens erstmals während der Reichtagsverhüllung von Christo und Jeanne-Claude in Berlin gezeigt wurden.

 

Günter Wirth, 1932 in Berlin-Charlottenburg geboren, hatte als 19Jähriger seine erste Ausstellung in Berlin. Seine Ausbildung zum Diplomingenieur für Bauwesen gab seiner künstlerischen Arbeit gewiß spezielle Impulse. Er wurde Berufsschullehrer, gar Oberstudienrat.

 

Parallel dazu verlief seine künstlerische Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und Neapel. Ende der 50er Jahre unternahm er Studienreisen nach Apulien, Sizilien, Paris und Nordafrika. In den 60er Jahren (er gab zu dieser Zeit Unterricht im Dekorativen Gestalten und in Mathematik!) hatte er seine ersten großen Erfolge, u.a. in Rom, Florenz und Neapel.

 

Er wirkte sieben Jahre als Galerist in Berlin und förderte vor allem Künstler "mit klarer optischer Didaktik", wie er es nannte, also Vertreter des Konstrukivismus, der Kinetischen Kunst und der Op-art. Zu dieser Zeit began er, mit Dispersionsfarben auf großformatigen Leinwänden dynamische Farb-Raum-Klänge zu gestalten.

 

Seit 1991 wandern seine Werke in großen Ausstellungen um die Welt: von der Schweiz nach Indien, Japan und Amerika. Auf internationalen Kunstmessen und in bedeutenden Sammlungen ist er vertreten. Unlängst wurde er Mitglied des President´s Council der Universität von Süd Florida. Mehrere Bücher und Kataloge geben Aufschluß über sein umfangreiches Oeuvre. Auch ein spezieller Katalog für seine Saalfelder Ausstellung liegt für Sie bereit.

 

Bei aller Beziehung zur modernen Kunst bleiben Günter Wirths Werke im klassischen Sinne Tafelbilder (mit Ausnahme seiner Print-Watch-Objekte), auch wenn er Computertechnik und modernste technische Möglichkeiten für seine Kunst nutzt. Mit den Erfahrungen der modernen Kunst, technischer Raffinesse und künstlerischer Konsequenz hat er damit den Konstruktivismus um eine interessante Variante bereichert."