Günter Wirth
Günter Wirth

Tails

Ortega y Gasset, Stuttgart 1978:  "Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst".

 

"... Das  >>Veständnis<<  eines Kunstwerkes läßt Kunst in den Augen vieler Menschen volksfern, ja sogar volksfeindlich sein, einfach deshalb, weil es das Publikum einteilt.  In solche, die  >>verstehen<<  (oder angeben, daß sie verstehen), und in andere, die eben  >> nicht verstehen<< ! ..."  

 

 

Dennis Knight, Betchworth, Surrey, 18.4.1991:

 

"The TAILS  are abstract pictures included from designs painted on the failfins of World War II Japanese combat aircraft."

 

 

Hisashi Tatewa, Ito-Shi, Shizuokaken, 20.5.1991:

 

"The simplicity and the colour presentation are main key points of the art.  If you see culture in Japan maybe you could find both everywhere ..."

 

 

 David Rosenbaum, Berlin, November 1992:  "Günter Wirth".

 

"Was sind die TAILS?  Tails oder auch tail units ist die anglo-amerikanische Bezeichnung de Seitenleitwerke von Flugzeugen. In diesem Fall sind es die Tails japanischer Marineflugzeuge des 2. Weltkrieges. Und genau da haben Wirths Arbeiten ihren Ursprung. Den Anfang machte eine Arbeit für das Aviation Museum in It-Shi (Tokio.

 

Wirth verband dabei in "dialektischer Synthese", wie er es nennt, eine seiner bis dahin geschaffenen konkreten Formen mit einem spezifisch japanischen Dekor (Staffelsymbol)  einer der berühmten Zero-Sen- Maschinen zur Bild-im-Bild Collage No.102."

 

 

Karsten Stroschen, Berlin, November 1991: "Die Beherrschung des Raumes bei Günter Wirth"

 

"Seit Mitte 1991 arbeitet Wirth an einer "TAILS" genannten Serie, die einen äußest interessanten neuen Einffluß andeutet, den der Heraldik. Die Übernahme zwerdimensionaler Symbole aus der Heraldik, hier z.B. die Farben und Staffelsymbole japanischer Marineflieger, gibt interessante Möglichkeiten. Ähnlich den Collagen der KUWEIT-Serie und der Collage  No.55  YOU ARE LEAVING  werden Motive der realen Welt in die Werke aufgenommen, doch fehlt ihnen jetzt bewußt jeder Informationsgehalt.

 

Die japanische Heraldik wie auch das Schriftbild haben schon vor Jahrhunderten Aspekte der aktuellen Kunst vorweggenommen. Die Flächen- und Raumbeherrschung stand stets mindestens gleichwertg neben dem Informatiosgehalt. Dagegen begann die europäische Heraldik schnell den Informationsgehalt durch Farbensymbolik, Formen- und Bildersprache in den Vordergrund zu stellen. Das  MON (Abzeichen des Samurai) hatte z.B. meist keinen heraldischen Bezug zum Träger, der über den puren Besitz des Zeichens hinausging. Aus diesem Grund eignet sich diese japanische Heraldik als Motiv für Werke, deren Ziel die reine Flächen- und Raumbeherrschung ist. Wir dürfen für die Zukumft gespannt auf die weitere Symbiose von westlicher und östlicher Kunst warten."

 

 

Harry Hempel, Berlin, 1991:  "Anmerkungen zu Günter Wirth"

 

"In den neuesten Bildern kontrastiert Günter Wirth Japan-Eindrücke in Symbol und Schrift (z.B. Flugzeugl-Leitwerk- Motive) mit dem >rechten Winkel, der unsere Welt darstellt< , wie er im Ateliergespräch sagt. Oder er sucht den informellen Kontrast im Scipturalen (Grenzbeschilderung an der Mauer, arabische Zeitungen). Oder in Fremdarbeiten, zum Beispiel den zerschnittenen Landschaften Elke Eckels. Plakatives, Aktuelles und andere Fundstücke werden durch >Wegnahme des Zuvielen<, durch >Verschieben von Abdeckungen< und mittels meisterhafter Collage-Schnitt-Technik zu >gefundenen Kunstarbeiten<, >Balanceakte für Sensible<, gelungen erst dann, wenn die Dialektik zur Synthese findet, von der man sagt: >Dies muß so sein, und nichts dazu!"

  

 

Günter Wirth, Berlin, 1991:  "Aus Kunst wird Kunst".

 

"... Eine weitere Awendung dialektischer Prinzipien fand ich in letzter Zeit durch eine Bild-im-Bild-Montage. Sie hatte es schon früher gegeben, z.B. bei Mark Rothko, aber auch bei Bernd Berner. Doch bei beiden diente das innere Bild hauptsächlich nur zur Verstärkung des Eindrucks einer schwingenden Bewegung des Gesamtbildes.

 

Meine ins Bild gesetzten Bilder sind dezentralisiert angeordnet, einen Freiraum lassend, der mit dem eigentlichen Bild korrespondiert. Dieser Freiraum ist aber nicht als Passepartout gemeint, er gehört zu meiner Gesamtkonzeption. Er schafft den Bildern Raum, ersetzt Wandfläche. Wandfläche ist gleich Bildraum, ein Widerspruch per excellence. Auch die Zweiteilung der Arbeiten, auf einem schwarzen Untergrund gesetzt, gibt den Bildern nicht nur Tiefe, sondern, und das entspricht wieder dem Identitätsprinzip der Dialektik, hebt die räumliche, zweidimensionale, den begrenzenden  Bildraum übergreifende Dynamik des Objektes auf und bindet den Raum wieder an die Fläche. Alle meine letzten Objekte sind Teil einer räumlichen Ordnung und nehmen, obwohl sie keine Wandfläche benötigen die ganze überdimensionale Fläche der Wand, an der sie hängen, in Anspruch und geben dem ganzen Raum ihre Tiefe."

 

 

David Rosenbaum, Berlin, November 1992:  "Günter Wirth - Eine Ausstellung im Glszentrum".

 

"Alle ins Bild gesetzen Bilder sind dezentralisiert angeordnet:  der das Bild umgebende Bildraum  ... gehört zur Gesamtkonzeption Wrths. Seine Biler schaffen sich ihren eigenen Raum, benötigen eigentlich keine Wandfläche." 

  

 

David Rosenbaum, Köln, im August 1993:

 

"1991 beginnt Wirth mit den Arbeiten "A6M2 Zeo Sen" und "Ki.44-IIb Shoki", ausgelöst durch Verbindung zum japanischen Aviation Museum in Itoh-Shi, die Serie der TAILS. Dennis Knight definiert sie als "abstract pictures induced from designs painted on the tailfins of World War II Japanese combat aircraft". Und in der Tat , das Seitenruder einer der berühmtesten japanischen Maschinen, der Zero Sen, veranlaßte Wirth zu dieser Komposition. Er zeigt es mit einer typischen Kennung vor der Roten Sonne Japans und setzt dieses Bild in eins seiner konstruktiven Bilder.

 

"Bild im Bild", das wird in der Folge eines seiner markantesten Markenzeichen werden. Wie in dieser Arbeit, beginnt er, seine Bilder dezentralisiert in ein neues Bild zu setzen und schafft somit einen eigenen, nicht als Passepartout gemeinten Umraum, der eigentlich keiner weiteren Wandfläche mehr bedarf. Der Berliner Galerist und Verleger Michael Schultz sieht diese Arbeiten und überredet ihn, wieder mit der Druckgraphik zu beginnen. Er läßt vier Siebdrucke fertigen und übernimmt sie als Mappenwerk in seine Edition. 1992 stellt er sie zusammen mit neuen Collagen in seiner Berliner Galerie und auf Kunstmärkten in Basel, Paris und Düsseldorf aus. Heinz Ohff scheibt hierzu  "...ergeben sich visuelle Eindrücke, die wie Visionen wirken können. Die Einfachheit der Kompositionen - oder besser: Montagen - wächst unversehens über das Formelhafte, das sie unzweivelhaft besitzen, hinaus in eine Ästhetik eigener Art, die sich, wenn überhaupt, nur in philosophischer Sprache oder Wortfindung umreißen ließe. Umreißen sollte sie freilich nicht das Wort, sondern allein das Auge, auf das sie zugeschnitten ist. Was der optische Monteur letztlich erzielt, ist - man kann es kaum anders ausrdücken - visuelle Magie. Wobei wir in Kauf nehmen müssen, daß der Künstler dies mit aller Gewalt als Vorsatz von sich weisen würde".

 

Und nun folgt Schlag auf Schlag. Die Edition Hisashi Tateiwa läßt zwei Siebdruckserien mit je vier Arbeiten drucken ("Prints 25 bis 28" und "Prints 29 bis 32", eine Berliner Druckerei gibt einen Kunstdruckkalender mit zwei Offsetdrucken ("Blue Palawan" und "Yellow Shotoko") heraus, und vier weitere Siebdrucke (Prints 35 bis 38") erscheinen als Edition 92. Je zwei dieser Arbeiten druckt sein Berliner Siebdrucker Georg Pawellek, dem Wirth seit 1991 alle seine exzellenten Drucke verdankt, als große 140 cm breite Doppelblilder. (siehe Doppelbilder!).

 

Sind in den Arbeiten der japanischen Edition schon kaum noch Bezüge zu den realen Vorbildern warzunehmen, so wird in den Ducken der Edition 92 erneut Wirths Streben nach Reduzierung deutlich. Bill Nauman schreibt hierzu: "durch einfache Präsentation, vor allem der Isolerung, wird Unscheinbarkeit plötzlich bedeutungsvoll, besonders wenn die Bilder mit anderen Gegenstände oder mit der Umwelt zu korrespondieren beginnen, die räumliche Isolierung, auch als´Bild im Bild´gesehen, ist für diesen Vorgang gleichsam der Katalysator. eine einzige ohne Unterbrechung gezogene Linie, eine zweite dazu, genügt Wirth, um eine Koposition von grßer formaler Dichte zu schaffen. das Resultat bietet kein geshlossenes Werk, sondern Offenheit bei aller Konzentration. Die Ausdrucksform, die ihm am nächsten liegt, ist die gestische Zeichnung in fließender Bewegung von einer transistorischen Leichtigkeit, die zum Beststandteil einer einzgen imaginären Serie wird".

 

Diese Worte Naumans nehmen vorweg, was Wirth 1993 erarbeitet und erstmals im Kunstverein Schering zeigt. Er beginnt mit Pastellstiften zu zeichnen und verbindet dies graphische Moment mit seiner bewährten Collagetechnik. Die von den TAILS herbekannte Form wird soweit vereinfacht, bis sie nur noch als kalligraph ische Geste erscheint, die von der in verschiedenen Strichlagen ausgeführten Pastellzeichnung in fast nur eiem Farbton eingefaß wird und wie eine "Chiffre von unmittelbarer Signalwirkung"hervortreten läßt. In diesen Arbeiten steht k0nzeptuelle Strenge  neben einem gestischen, wiild hingeschriebenem Duktus. Die dabei sichrbar werdenden unterschiedlichen Aspekte ästhetischen Gestaltens werden nicht isoliert, sondern als gleichwertiges Nebeneinander vorgeführt.  Wirth stellt diese Abeitsreihe in Serien her, deren einzelne Blätter sich in ihren Variationen nur minimal unterscheiden. Die für sie gewählten Titel "To Be Free Without Force", "Blue Is Here To Stay" oder "Sky Was Blue" sing spontan nach Stücken der Jazz- und Countrymusik entstanden, die er bei seiner Arbeit fast ständig hört.

 

In dieser Richtung wird er wahrschenlich weiterarbeiten, noch sparsamer in den Mitteln werden. Gegenüber Heinz Ohff hat Wirth einmal geäußert, daß ihm Bilder vorschweben, auf denen nichts drauf ist. Nun, diese Bemerkungi st gewiß überzogen, denn er ist kein Radikaler, will kein radikales Nichts. Leere ist nicht das, was er anstrebt, ehe ein meditatives Moment der Ruhe innerhalb der Disziplin der Ästhetik. Darin aber, und das ist wichtig, darf für ihn das Sein nicht fehlen. Sind auch einige der zeitgenössischen Künstler, ob monochrom, konstruktiv oder konzeptuell, absolute Neinsager, so versucht Wirth zwar wie diese jedes überflüssige Moment und jede ncht notwendige Fülle auszuschalten, will aber unter Verwendung sparsamster Mittel neue ästhetiche Werte auzfeigen, will nicht Armut und Askese, sondern wie Ohff sagt, Mystik und damt eine Hngabe zu Schönheit und Bereicherung des Lebens. Durch seine Reduzierung sowohl der Form als auch der Farbe eröffnet er neue Perspektiven der Meditation und Poesie, eine Besinnung auf einfacheres und bewußtes Sein. So gesehen ist sein Konkretismus nicht auf Erkennbares, sondern auf etwas Unfaßbares ausgerichtet, ist vom banalen Konkretismus abgehoben und somit für die konkrete Szene wieder interessant.

 

Zwei Tendenzen werden in Wirths Arbeit sichtbar, der Hang zum Konstrukturellen und das Streben in Richtug einer minimal-art. Obwohl die minimal-art wie der Konstruktivismus auf den gleiche Elementen, den geometrischen Formen, basiert, ist sie doch keine konstruktivistische Kunst. Ihr dient als Grundlage nicht so sehr die Koordinierung plastischer Formen auf einer Fläche, sondern die Formen werden als gegebene Situationen angenommen, wobei es zu keiner weiteren Bearbeitung kommen sollte. Dagegen werden in der konstruktivistischen Kunst die konstruktiven Elemente weiter bearbeitet und neu koordiniert. Und so ergeben die Konstruktionen der TAILS-Serie Wirths, obwohl sie in seinen späteren Arbeiten als immer wiederkehrende minimale Elemente angesehen werden können, keine zwecklosen Gebilde, sondern offenbaren mystische Wahrheiten.

 

Dieser Idee hat sich Wirth ganz bewußt, wenn nicht sogar programmatisch, konsequent verschrieben. Seinem Vernehmen nach soll die Kunst ein transzendentes und  exemplarisches Phänomen darstellen.

 

Durch seine Verbindung sehr gegensätzlicher Elemente, von konstruktivistischen mit informellen oder abstrakt-expressionistischen, und nicht zuletzt, wie  es in seinen jüngsten Arbeiten deutlich wird, durch weitere Reduzierung der Form aufs Minimalistische und der Farbe auf wenige Pastellanlagen, unterscheidet sich Wirth unverwechselbar von der Menge der heutigen Neo-Konstruktivisten, die weiterhin mit geometrischen Formen ihre Bilder bauen.

 

Birgt der reine Konstrutivismus durch das Vorherrschen des objektiven Gehalts und der ihm innewohnenden Logik die Gefahr einer akademischen Erstarrung in sich, so umgeht Wirth diese, indem er den kategorialen Bestimmungen wie Flächenaufteilung, Proportionen und den aus ihnen resultierenden logischen Gestaltungen allzu großen Raum einräumt, sondern dialektische Verbindungen von gegensätzlichen Kunstrichtungen sucht.

 

So gesehen bietet er keine Langeweile, sondern läßt die konkrete Kunst, die mit den schönsten Exemplaren in Sammlungen wie z.B. der Reutlinger Stiftung in Menge vertreten ist, ohne dadurch lebendiger zu werden, weit hinter sich. "Aus Kunst wird Kunst", aus der Negation der Kunst durch erneute Negation (nach Wirth) findet er ein einmaliges Ergebnis.

 

Alle Arbeiten von Günter Wirth sind dem traditionellen Tafelbild verbunden, spektakuläre neue Medien lehnt er ab. In ihrer außerordentlichen Gestaltung signalisieren sie den Anspruch auf Individualität und sind Kompositionen jenseits wohlbekannter Klischees, dennoch aber traditionelle Kunstwerke. Er selbst ist da eher zurückhaltend, mag die Worte und Begriffe Kunst und Künstler nicht, sagt:  "Kunst?  Ich weiß nicht. Ich mache einfach Bilder. Ich mache es, weil es mir Spaß macht."

 

 

Günter Wirth, Berlin, 5.5.1992:  "Auflagenobjekte aus 25 Jahren".

 

"Mir kommt es prmär auf das Machen von Bldern an, auf zu vermittelnde Ideen, auf ein geistige Konzentrat - und erst sekundär auf irgendwelche Assoziationen zu identifizierbaren Dingen oder Sachverhalten - und schon gar nicht auf literalische Inhalte.

 

--- Nicht das sichtbare Großformat ist wichtig, sondern die fühlbare Monumentalität, die auch im Kleinformat erkennbar ist. Allen meinen Arbeiten ist zu eigen, daß sie unabhängig von ihrem Format eine gewisse Monumentalität aufweisen. Sie lassen sich in jeder gewünschten Dimension anfertigen."

 

 

Heinz Ohff, Berlin, 30.5.1992:  "An Anfang Montage, am Ende Magie".

 

"Kunst, meinen die meisten Laien, kommt aus der Natur. Keineswegs!, halten die Fachleute, zumindest die theotrtischen, dagegen, Kunst kommt von Kunst! Bei Günter Wirth kommt sie, habe ich das Gefühl, noch woanders her, nämlich aus dem Zeitgeist, aus der Technik, sogar aus der viel verleumdeten Dekoration.

 

Seine Erfahrungen hat er zwar auch in der Kunstwelt gesammelt, als autodidaktischer Maler, Hospitant an der Berliner Hochschule für Bildende Künste, wie sie damals nonh hieß, und später auch als Galerist. In der Hauptsache stammt sie jedoch aus Gebieten, die der Kunst eher parallel, wenn auch nicht ganz zuwider laufen, er ist zum Bauingenieur ausgebildet und - alles immer neben praktischer Kunst-Arbeit - als Pädagoge tätig gewesen, ein Mann der Systematik, der diese eher technisch fundierte Eigenschaft auch in Ästhetischen und der Bildnerei anzuwenden gewillt war. Kein Künstler "aus dem Bauch heraus", wie man ihn sich allgemein vorstellt, aber auch nicht einer jener zelebralen Artisten, die die Kunst ihrer Sinnlichkeit zu berauben versuchen.

 

Im Gegenteil: Sinnliche Wahrnehmung in jederlei Wortsinn wird vor Wirths Arbeiten dringender erforderlich als vor allem expressiven Elektrizismus. Aber wo andere sie durch Vehemenz, Leidenschaft, Temperament, sozusagen faustisch zu erreichen suchen, da montiert Wirth sie, sorgfältig und cool, aber absolut nicht kalt und unbeteiligt, aus dem von ihm gewählten knappen Material zusammen. Sie blüht unter seinen Händen auf, aber ohne jede Blumigkeit. Der rechte Winkel, der schnurgerade Strich, die kreisrunde Bogenform triumphieren, die es alle in der Natur nicht gibt. Wirth konstruiert so etwas wie eine zweite  Natur.

 

Man muß es unter diesen Umständen als einen Glücksfall nehmen, daß einst ein so kluger Lehrer wie Hans Jaenisch, der die Vorklasse er Berliner HdK leitete, dem Hospitanten den Ratschlag gab, das Studium der Künste aufzugeben. Dies nicht, weil er ungegabt sei, sondern weil seine spezielle Begabung durch sie eher behindert als gefördert werden könne. Den Rest der 50er Jahre brachte Wirth dann meist in Neapel und Paris zu, wo er sich künstlerisch besser zurechtzufinden hoffte.

 

Und zurenchtfand. Damals muß aus dem Erz-Berliner ein Kosmopolit geworden sein, in seiner Kunst, aber auch einer gehörigen Portion seines Wesens. Noch heute findet er die meiste Resonanz weniger in seiner Heimat als in Italien, Frankreich, in jüngster Zeit vor allem in weit entfernten Weltteilen wie Florida, Japan oder Indien. Der Kosmopolit spricht am Ende eine allerorts verständliche Formsprache.

 

Ausgangspunkt war bei Wirth die Architektur. Häuserbilder aus Neapel und Frankreich sind die frühesten erhaltenen Relikte seiner Arbeit, die er vorzeigt. Später hat er dann das Architektonische reduziert, aus offenen und geschlossenen Blöcken Farbformen gebaut, montiert, häufig collagiert. In ihrer Farbigkeit lag ihre Thematik, aber auch diese hat er weiter vereinfacht. Monochromie zieht ihn seit jeher an wie der Magnet das Eisen, burchikos-berlinerisch von ihm selbst formuliert : "Ich wollte schon immer mal ein Bild malen, auf dem nichts drauf ist.

 

Die Einfachheit der Kompositionen - oder besser:  Montagen - wächst unversehens über das Formelhafte, das sie zweifells besitzen, hinaus in eine Ästhetik eigener Art, die sich, wenn überhapt, nur in philosophischer Sprache oder Wortfindung umreißen ließe.

 

... Endlich trat so etwas wie ein japaisches Element hinzu, eine Rahmen-im-Rahmen-Montage, die Freiflächen virtuos mit Farbformen, aber auch bisweilen japanischen Buchstaben in eine Art von gegensätzlichem Zusammenspiel brachten und bringen.

 

Die Bilder beschränken sich bei strenger Zweidimensionalität ... auf (anscheinend) einfachste Formen. Sie gliedern, ein im Grunde paradoxer Vorgang, Räume, Farbkörper und abgegrenzte Freiräume. Es ergeben sich visuelle Eindrücke, die wie Visionen wirken können.

 

Was der optische Monteur letzlich erzielt, ist - man kann es kaum anders ausdrücken - visuelle Magie ... Er führt seine unvergleichliche Art der Bildtechnik in eine Augenwelt, die dem Magischen auf modene Weise verwandt oder doch zumindest verschwägert ist. Er will ja auch kein Esperanto schaffen  und wird doch augenblicklich  in verschiedenen Kulturkreisen  sofort verstanden".

 

 

David Rosenaum, Berln, November 1992:  "Günter Wirth".

 

"... Sein letzter Aufenthalt in den USA regte ihn  zu einer poppigen Anwendung seiner Tails in Form von großen, den Seiten eines Briefmarkenalbums ähnlichen Kompositionen von Blöcken, Reihen und Zusam- mendrucken mit leicht anzüglichen Werbesprüchen an, wie z.B. >>A Tail is a thing of beauty and a joy forever<<. (Collage No.184)".

 

 

Bill Nauman, Berlin, November 1992:  Güner Wirth".

 

"Mit massiven kleinen Bildformaten, jeweils als  >>"Bild ins Bild< gesetzt, und manchmal mit einzelnen typograsphischen Buchstaben und Symbolen versehen, entstehen ruhige, geschlossene, ja vollendet wirkende räumliche Situationen. Ein gewisser >>Klassizimus<<, der sich ergibt, ist nicht das Ziel seiner Arbeit, sondern ein logisches Produkt...

 

... Durch einfache Präsentation, vor allem der Isoierung, wird Unscheinbarkeit plötzlich bedeutungsvoll, besonders wenn die Bilder mit anderen Gegenständen oder mit der Umwelt zu korrespondieren beginnen. Die räumliche, auch als  >>Bild im Bild<<  gesehen, ist für diesen Vorgang gleichsam der Katalysator.

 

 

Günter Wirth, Berlin, November 1993:  "Gedanken zur Einfachheit eines konstruktivistischen Werkes."

 

"Im Gegesatz zu einem komplexen Kunstwerk, wie das der Marilyn Monroe, die immer wieder und überall zu sehen ist und zu oft persifliert und karikiert worden ist, kann man ein gutes konstruktiivistisches Bild nicht karikieren oder persiflieren, weil es eben so elementar ist und man von ihm nichts wegnehmen kann. Man kenn es zwar unendlich variieren, aber es zeigt dann doch stet wieder dieselben vorgegebenen genuinen Grundstrukturen.

 

Ein  Laie meint, daß er das auch könne, aber wenn er es dann macht, sieht es schlimm aus, es stimmt nicht. Auch kann eine gute Konstruktion nicht von einem Computer gemacht werden, auch nicht, wenn der Künstler dabei selektiv mitarbeitet. Denn ein gutes konstruktivistisches Bild bedarf stets sowohl der Intuition und Vorstellung des Fertigen als auch der Persönlichkeitsstruktur des >>Machers<<.  Wenn es danach dann reproduziert oder einfach nachgemacht wird, bleibt die ursprüngliche Idee, das Konzept, doch original.

 

Wichtig ist die Einmaligkeit des schöpferischen Instinkts, nicht die Vielfalt der fertigen Variationen oder gar wie einfach und mit welch primitiven Mitteln und in welch kurzer Zeit ein solches Werk hergestellt werden kann."

 

 

Gordon A. McDougali, University of South Florida, Tampa, 16.3.1994:​

 

"... Ihre Generosität bietet der Universität hervorragene Gelegenheiten für ausgezeichnete  Lehre und Gemeinschaftsdienst. In Würdigung Ihrer Unterstützung freue ich mich, Sie als Jahresmitglied im Rat des Präsidenten, der ehrenamtlichen Einrichtung der Förderer der Universität von Süd-Florida begrüßen zu dürfen. Ich überreiche Ihnen ein lizensiertes Türschild des USF President´s Council und hoffe, daß Sie es stolz zeigen. .. "

 

 

Günter Wirth, St.Gallen, 20.4.1994:  "Probleme mit dem richtigen Hängen".

 

"Viele Künstler haben Probleme mit dem >>richtigen<< Hängen ihrer Bilder. Gängige Formate, die eine Art Zentra-lismus in sich tragen, werden in Reihe gehangen. Kein aus der Rolle fallendes Format darf dabei stören. Die Farben müssen aufeinander abgestimmt sein. Ein Nebeneinander mit Bildern der Kollegen möchte abgelehnt werden, weil >>ihrer<< Harmonie abträglich.

 

Oft werden Bilder wie bei einem Wohnungseinrichter >>passemd<< ausgeucht. Paßt es  zur Gardine, paßt es zum Teppich?  >>So ein modernes Bild ist ja schön, aber leider paßt es nicht zu meinen Biedermeier-Möbeln<<  und dabei ist es doch so einfach. Ein gutes Bild paßt überall hin. Aber es muß keinen zentralistischen Anspruch erheben, es muß >>richtig<<  positioniert werden. Wenn das Bild nicht gleich groß wie die Wand, wenn es also nicht an die Wand gemalt wird oder die ganze Wand einnimmt, muß man den Platz festlegen, muß es in die Umgebung integrieren, muß es  >>installieren<<. Hat der Künstler dabei >>sein besonderes<<  Konzept, so muß er genaue Anweisungen für die Installation mitliefern.

 

Ich mache es dabei zum Teil einfacher: ich liefere den Raum für das Bild mit. Bild-im-Bild oder Rahmen-im-Rahmen, das ist mein Konzept. Für meine Bilder schaffe ich den Raum, den sie bedingen, selbst, Ein Nebeneinander fremder Aebeiten mit meinen eigenen lehne ich nicht ab, ja ich integriere sie sogar, verbinde sie synthetisch miteinander, schaffe Doppelbilder, deren zwei Teile sich einander beeinflussen. Gerade Gegensätzliches reizt mich dabei besonders, seien es informelle oder gar figurale Arbeiten".   

 

 

Friedrich Schoenfelder, Berlin, 3.3.1995:  "Wirth - Synthese von Informell und Konkret".

 

"... Die grandiose, raffinierte Einfachheit japanischer Schriftsymbole und Schriftzeichen in seinen Bildern -

ich sollte vielleicht besser sagen: Collagen - besticht und fasziniert. Sie vermitteln Andeutungen von in geometrische Formen gekleidete philosophische Gedanken."

 

 

Cindy Cable, Perkins Gallery des Polk Museums of Art LakelandFl., July 1997,  "Constructive Balance".

 

"... Die Ausstellung umfaßte 38 graphische Arbeiten des Deutschen Künslers Günter Wirth und wurde von insgesamt 10.022 Besuchern besichtig. 

 

Seit 1991 hat Wirth an einer Serie mit dem Titel "Tails" gearbeitet, die in dieser Ausstellung eine wichtige Komponente war und durch den Gebrauch der Heraldik eine Symbiose zwischen Östlicher und Westlicher Kunst repräsentierte. Die Aufnahme zweidimensionaler heraldischer Symbole, in diesem Fall z.B. von Flaggen und Insignien Japanischer Marineflieger, bot die Kreierung neuer Möglichkeiten. Motive der wirklichen Welt sind in die Arbeiten eingefügt, doch wurde jeglicher Informationsgehalt wohlüberlegt ausgeschlossen. Seitdem die Beherrschung von Fläche und Raum mindestens ebenso wichtig ist wie der Gehalt an Informationen, ist die japanische Heraldik als Motiv für Arbeiten, die diese Beherrschung zum alleinigen Vorsatz haben, besonders geeignet."

 

 

Günter Wirth, Berlin, Juji 1997,  "Conceptional Thoughts or Practice makes Progress".  

 

"... Jeder Mensch ist ein Künstler,  jede bildnerische Gestaltung ist Kunst", dies  gilt zumindest seit den zwanziger Jahren. Und so wird fleißig gemalt, gedruckt, fofographiert, installiert - in den Akademien, in den Volkshochschulen, in Ateliers oder Küchen. Kunst wird, man könnte es glauben, ein Volkssport. Jeder kann es, jeder tut es. Doch nur wenige entwickeln dabei eine Folgerichtigkeit, die ein eigenständiges Werk ergibt. Das Enrscheidende bei der bildnerischen Gestaltung mit künstlerischr Absicht ist nicht die spontane Äußerung im richtigen Moment, sondern die Konsequenz, mit der ein bestimmter Bildtypus auf den anderen folgt (nach Peter Herbstreuth). Von daher erschließt sich, ob die Werke gelungen sind oder nicht."