Günter Wirth
Günter Wirth

1964 wurde das Sign, wie es die Amerikaner nannten, geboren.  

Ortega y Gasset, Stuttgart 1978:  "Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst".

 

"... Das  >>Veständnis<<  eines Kunstwerkes läßt Kunst in den Augen vieler Menschen volksfern, ja sogar volksfeindlich sein, einfach deshalb, weil es das Publikum einteilt.  In solche, die  >>verstehen<<  (oder angeben, daß sie verstehen), und in andere, die eben  >> nicht verstehen<< ! ..."  

 

 

Joachim R. Reinke, Freiburg, 15.1.1966:

  

"Das Bildgeschehen ist scheinbar einfach. eine rechteckige schwarze Fläche, in der Mitte rechteckig ausgeschnitten. Der Bildgrund - häufig zweigeteilt - ist einfarbig.

 

Der Kontrast, schwarze mattglänzende Form zu porösem hellfarbigen Grund, verleiht dieser Form plastischen Charakter, sodaß man auch von einem "Körper" sprechen könnte. Dadurch, daß dieser Körper schräg in die Bildfläche hineingreift, wird in den Arbeiten eine starke Dynamik erzeugt. Auerdem erzeugt er Bewegung, eine Bewegung, die die zweidimensionale Bildfläche zu einem imaginären Bilraum ausweitet, der, aus der Tiefe des Bildes herauskommend, die Umwelt gleichsam umschließt.

 

Sämtliche Arbeiten von Günter Wirth, einschließlich seiner ersten Bilder der Jahre 1954 bis 1955, enthalten keine organischen Formen. Allein die geometrische - hier durch Geraden begrenzte - Fläche hat Bestand. Formale Zufälligkeiten und Texturen, wie sie sich aus dem Vorgang des Malens ergeben könnten, werden nicht gedulded. Nichts darf von der Bildfläche ablenken, kein Detail den Betrachter zum Nähertreten verleiten. Dem Vorgang des Malens kommt keinerlei Bedeutung zu. Die Arbeiten sind allein aus der Reflexion und Spekulation geboren und nur insofern innovativ, wie der Intellekt Innovation schafft. Sie vermögen ein Erlebnis des Raumes zu vermitteln - nicht quantitativ, in den Dimensioen fest begrenzt, sondern qualitativ vom Impuls des schwarzen Körpers her - wobei das Moment der Zeit eine erheblche Rolle spielt. Um diesen Raum tatsächlich zu erfahren, sollte man, gaube ich, mt den Bildern zusammenleben, sie aus der Bewegung, sich dauernd änderden Standoten sehen.

 

Die Problematik der Beziehung von Raum und Zeit - wie sie sich aus der Fragestellung der modernen Physik ergibt - könnte im bildnerischen Bereich meines Erachtens nicht klarer formulert werden, als es mit diesen Arbeiten geschieht."

 

 

Eberhard Meckel, Freiburg, 21.1.1966:

 

"Der Maler ... vertritt die konstruktivistische Richtung, die nach den großen Anregern Mondiran oder Albers immer wieder totgesagt wurde, gleichwohl in der Weise, wie Wirth sie in strenger, absoluter Konsequenz weiterführt, ganz unbeirrt und sicher, nicht ohne Eindruck. In den mit schmalen, schwarzen Leisten umrahmten Bildern, etwa ein dutzend an der Zahl, stoßen in die meist mattweißen, aber auch lichtblauen, roten Grundflchen breite, rechteckige schwarze Formen ein, kannten gelegentlich nach oben,  unten oder den Seiten schräg an, setzen sich gewissermaßen über den Rand fort, wodurch sich das Räumliche erweitert. denn der Raum ist es, der Wirth interessiert in zusammenhang mit dem, was die ein tiefes Schwarz widerspiegelnden, balkenhaften, Innenraum in sich bergenden, eckigen Gebilde dartun sollen: Chiffre zu sein spanungsvoller Seinsverhältnisse, in denen das Zeitliche keine Rolle spielt. So erscheint Wirths bildnerisches Bemühen als Ergebnis eines Denkprozesses. Dabei wirkt charakteristisch, daß manche Bider als Doppelbilder teilbar sind, formal ineinander übergehend, jedoch auch einzeln verwendbar. das deutet  darauf hin, daß sich der Künstler wohl sein bisheriges Schaffen als unendliche Folge vorstellt, und genau so ließe es sich denken zum Beispiel für Glasfenster, für das Bewältigen großer, freier Wände, ergäbe sich für den Künstler eine gemäße Möglichkeit schöpferischen Tuns. Nicht im Sinne des Dekorativen, denn damit hat das, was Wirth anstrebt, nichts zu tun und ließe ihn mißverstehen. Wenn er von sich sagt, dem Vorgang des Malens komme bei ihm >keinerlei Bedeutung< zu, so gilt dies nur für das Malerische an sich, aber wie eben bei Mondrian, bei Albers die Farbe eminente Wichtigkeit besitzt, so insgeheim natürlich bei ihm auch. Und da liegen auch vermutlich vielfältige Gegebenheiten einer Enwicklung für ihn, der sich zunächst ein wenig einseitig repräseniert. Auf jeden Fall, man erkent bei ihm einen eigenen Weg, und das ist bereits sehr viel."

 

 

Jürgen Buschkel, Stuttgarter Zeitung, 19.1.1966:  "Experimentelle Komposition:

 

"Diese akkuraten, technisch versierten Bilder lassen einen Maler ekennen, der eigene Wege inmitten des wieder zu Ehren kommenden Kontruktivismus sucht".

 

 

Robert Artur, Schwenningen, 15.4.1966:

 

"Wollte man die Arbeiten von Wirth stilistisch einordnen, so müßte man sie als hard-edge- oder konstuktivistische m

Malerei bezeichnen. Solche schematische Erfassung bliebe aber notwendig oberflächlich und würde Wesentliches außer Betracht lassen.

 

Sind die Bilder von Nicholson oder Albers, auch die von Mondrian, einer  Bildbetrachtung im gewohnten Sinne noch durchaus zugänglich, so sind die Arbeiten von Wirth mehr vom Intellekt als vom rein Optisch-Ästhetischen her zu begreifen. man betrachtet sie nicht, man begegnet ihnen. und in dieser Begegnung wid man Teil  eines höchst komplexen Bildraumes, in welchem man sich nicht nur äußerlich befindet, sondern der unser Ich zu einer Identifizierung zwingt. So gesehen steht dieser Raum für unser Innerstes - das Bild selbst wird damit zur Chiffre unseres Bewutseins. Um diese Aufgabe zu erfüllen, darf es keine subjektiven Momente enthalten.

 

Im Gegensaz zu den Arbeiten anderer hard-edge-Maler wie Pfahler oder Gaul provozieren die Bilder von Wirth keine optische Schrecksekunde. Die Farbe wird nicht als optischer Reizauslöser gebraucht, sondern als substantiiertes Licht und dami zugleich als Raumwert. Die Arbeiten haben Zeichen-Charakter, sind auf eine einfache und klare Bildkonstukton reduziert und sind damit ästhetische Fiktion.

 

Viele Arbeiten ähneln sich - das gleiche Zeichen beherrscht die Bildfläche. Bildthemen oder Bildideen werden mehrfach wiederholt, in anderen Versionen, in anderen Formaten. doch alle bestehen zu gleichem Recht und sind nicht als Kopie zu verstehen. die Bildtitel sind rein sujektiv, nicht unpersönliche Nummern oder willkürliche Namen - sie stehen in Beziehung zum Beschauer, zum Bild, zum Maler."

 

 

Robert Kudielka, Schwenningen, 15.4.1966:  "Betrachtungen der Arbeit Günter Wirths"

 

"Bei der konstrutivistichen, insbesondere der hard-edge-Malerei, plakathaft eindringliche Formen, bei Wirth eine Reserviertheit  ohne Geste. Reserviertheitdes Bildes zur geometrischen Sachlichkeit, die keine Tiefen sucht."

 

 

Karl Diemer, Stuttgarter Nachrichten, 8.7.1966:  "Rechteck gegen Quadrat".

 

"Man kann aus Günter Wirth ein gehörig Maß an ästhetischen Informationen ziehen."

 


Günter Wirh, Mainz 1967:  "Über meine Arbeit"

 

"Seit Anfang 1964 interessiert mich in gesteigerten Maße der Raum, und zwar der Raum als Erfahrungswert, als Formel, für die die Zeit keine Rolle spielt. Diese Formel darzustellen bedeutet für mich, den Betrachter in einem höchst komplexen Bildraum einzubeziehen, in wechem er sich nicht nur äußerlich befindet, sondern durch den er zu einer Identifizierung mi senem Ich gezwungen wird. so besteht der Bildraum gewissermaßen für unser Innerstes, wobei das Bild selbst zur Chiffre unseres Bewußtseins wird.

 

Dem Vorgang des Malens kommt bei mir keine Bedeutung zu. Alles Subjektive wird verbannt. die Arbeiten werden allein aus Reflexion und Spekulation geboren und sollen lediglich ein Erlebnis des Raumes vermitteln. somit wird der Bild-Zweck absolut.

 

Oft vergleicht man meine Arbeiten mit dem hard-edge und der op-art. sehr zu Unrecht, denn sie sind weder plakathaft gemeint, noch sollen sie Farbe signalisieren. Und da, wo ich Farbe verwende, soll sie keine optischen Reize provozieren, sondern nur als Licht- und Raumwert verstanden sein.

 

Das alles erklärt, warum ich in meinen Bldern mit einer einzigen Form, einem großen blockhaften "O", auskomme. Dieses "O" lasse ich aus dem Raum in die Bildfläche vorstoßen, in immer anderen Variationen, Schnitten und Größenverhältnissen. gelegentlich kante ich es nach oben, unten oder den Seiten schräg an und lase es ich über den Bildrand hinweg fortsetzen, wodurch sich der Raum nach den Seiten hin erweitert.

 

Bildtitel sind unwichtig. Wo ich welche verwende, sind sie rein subjektiv, spontane Äußerungen, flüchtige Assoziationen. "Black Sound", eine von links oben aus dem Raum stoßende schwere form, die das Bild mit einem schwarzen Klang erfüllt. "Viva Maria!", ähnlich der im gleichnamigen Film von Revoltionären mitgeführten Fahne. "Yes, I´m In!", triumphierender Schrei der gerade noch im Bildraum befindlichen Form."

 

 

Karl Dieter Bodeack, Stuttgart, 14.6.1966:  "Günter Wirth - seine Arbeiten aus der Sicht der Informatonsästhetik"

 

"Ohne Zweifel, die Arbeiten Günter Wirths basieren auf den "konstruktiven" Mondrians und den "konkreten" Bills, die seit den zwanziger und dreißiger Jahren nicht an Bedeutung verloren haben, dazu aber viel bekannter geworden sind. Bekannter, weil sie als Gegenpol zur "informellen" Malerei erkannt wurden: Als "op-art" wurden sie zum Protest gegen die "pop-art". Mehr noch: Die informelle und die konstruktive Malerei markieren die extremsten Möglichkeiten, die beiden entgegengesetzten Grenzen unserer heutigen Kunst, sodaß sich jedes Kunstwerk durch seinen Abstand von diesen beiden Polen charakterisieren läßt. Diese These muß belegt werden, was an Hand einer wissenschafts-theoretisch gut fundierten Modellvorstellung der modernen Ästhetik geschehen soll, die es dann auch erlaubt, den Standpunkt Günter Wirths objektiv zu bestimmen.

 

Der zentrale Begriff der modernen Informationsästhetik ist das "ästhetische Maß" eines Kunstobjekts, daß von Birkhoff eingeführt, von Bense, Frank, Gunzenhäusrer und vom Verfasser informationstheoretisch interpretiert wude:

 

            Ästhetisches Maß        =  Auffindbare ästhetische Ordnung : Aufgewendete visuelle Information

 

oder in der Teminologie der Informationstheorie:

 

            Ästhetisches Maß  M    = Topologische Reundanz  tr          : Statistische Information  sH

 

Der Definiion dieses Maßes  (die folgend noch erläutert werden soll), liegt als wichtigstes Axiom zugrunde, das jedes Kunstwerk aus einem "Bewußtseinsprozeß" hervorgegangen ist, der sich in der Informationtheorie als ein Vorgang des Informationsabbaus im menschlichen Bewußtsein darstellt. Der statistische Informationsgehalt  sH,  der das Kunstobjekt kontsituierenden visuellen Elemente "Farben, Formen, Oberflächenstrukturen usw.) ist ein exaktes Maß für den "Aufwand", der zur Wahrnehmung des Kunstwerks erforderlich ist. Da er den Nenner des ästhetischen Maßes bildet, wird es um so kleiner, je komplizierter , neuer, unbekannter die visuellen Bauelemente eines Bildes sind, je länger also der Betrachter zum Einprägen des betreffenden Kunstwerks in Anspruch genommen ist.

 

Bei einem Kunstwerk geht es nun aber nicht nur um die Auswahl visueller Elemente, sondern auch (oder vor allem) um ihre Anfoderung im Raum und in der Zeit. Sie wird durch die "topologische Information" numerisch erfaßt, wobei eine chaotische, zufällige Anordnung (ein Kreis) eine kleine topologische Information tägt. Die Differenz zwischen maximal möglicher und im betreffenden Kunstobjekt vorhande des ner topologischer Information heiß "topologische Redundanz" und gibt an, wie weit das Objekt vom größtmöglichen Chaos entfernt ist, wie weit es also in der Anordnung seiner Bauelemente einen Bewußseinsprozeß durchlaufen hat. Diese topologische Redundanz bidet den Zähler des ästhetischen Maßes, das damit um so größer wird, je höher die topologische Ordnung (die "Gestalt") des untersuchten Kunstwers ist.

 

Aus diesen beiden Größen lassen sich unter bestimmten Bedingungen die ästhetischen Maße vergleichbarer Kunstobjekte berechnen. In diesem Zusammenhang interessieren jedoch nur die extremen Grenzen dieses Maßes, die auch ohne Rechnung angegeben werden können.

 

Ein informelles Kunstwerk ist im Idealfall durch eine zufällige Verteilung seiner visuellen Elemente (also geringe ästhetische Ordnung) und durch eine hohe Zahl von Farben, Formen, Oberflächenstrukturen usw. (also eine sehr hohe visuelle Information) gekennzeichnet. Geht nun der Zähler des ästhetischen Maßes, die topologische Redundanz tr , gegen Null, der Nenner, die statische Information  sH  , gegen Unendlich, so tendiert das ästhetische Maß informeller Kunstobjekte   Mi  gegen Null:

 

                                       Mi    =   tr  --->  O       :       sH  ---> OO     --->  O

 

Umgekeht hat ein konstukives oder konkrete Kunstobjekt eine sehr hohe ästhetische (opologische) Ordnung  t  und eine sehr kleine visuelle (statistische) Information  sH , so daß das ästhetische Maß  Mk  hier gegen Unendlich tendiert, praktisch also sehr groß gegenüber  Mi  wird:

 

                                       Mi    =   tr  --->  OO    :       sH  ---> O        --->  OO

 

Stellt man diesen Sachverhalt graphisch dar, so belegen die informellen und die konstuktiven Kunstobjekte jeweils ie extrem gegenüberliegenden Bereiche der Skala des ästhetischen Maße, alle übrigen Kunstwerke anderer "-ismen" liegen dazischen.

 

                                         Informelle Kunst    ...   Impresonismus   ...   Konstruktive Kunst

                   O   I______________________     Ästhetisches Maß      ______________________>   OO

                     

                             Chaotisches Objekt                                          Trivales Objekt

 

 An welcher Stelle dieser Skala des ästetischen Maßes liegen nun die Arbeiten Günter Wirths?

 

Wirth tendiert in seinen Arbeiten zunächst zu sehr hohen ästhetischen Maßen, zu trivalen, sehr einfachen Elementen und Anordnungen:  ein "O",  gebildet aus zwei Rechtecken, die Grundfarben  Blau und Rot, dazu Schwarz und Weiß, sind zunächst alltäglich, gut bekannt, informationsarm und redundanzreich. Diese Tendenz hat Günter Wirth jedoch auf raffinierte Weise gestört: Die Oberflächen der Faben erscheinen unerwartet porös oder mattglänzend, sein  "O"  ist um einen schwer angebbaren Winkel gekippt oder aus der Bildfläche herausgeschoben. Es treten Sachverhalte auf, die die zunächst trivale Bildidee komplizieren, die überraschen, die die ursprünglich einfache Konstruktion stören. Das ästhetische Maß wird damit in Richtung auf informelle Kunstwerke gesenkt, so daß sich der ästhetische Prozeß bei Günter Wirth wie folgt darstellen läßt

 

                                        Informele Kunst                            Knstruktive Kunst

                                    O  I_____________  Ästhetisches Maß ____________>  OO

                                                                                       <_________________ 

 

Ohne daß hier eine numerisch exakte Bestimmung ästhetischer Maße notwendig wäre, läßt sich also durch eine sichere Abschätzung feststellen, daß sich die Bilder Günter Wirths in der modernen Ästhetik als begrenzter Abbau eines zunächst extrem hohen ästhetischen Maßes als Integration informeller Elemente in zunächst höchst konstruktive Anordnungen darstellen.

 

Günter Wirth gelingt es also, eine streng geplante geometrische Bildkonstuktion um ein innovatives subjektives Element zu erweitern  eine vielversprechende Tendenz zur weiteren Entwicklung der konkreten Kunst!"

 


Felix Schlenker, Schwäbische Zeitung Leutkirch, 22.1.1966:  "Lösungen oder Experimente?

 

"...  insofern läßt sich Wirth stilistisch wohl nicht der hard-edge- oder konstruktiven Malerei zuordnen, für die die Begrenzung des Bildraumes noch vorgegeben, für die die Optik und die individulle, subjektive Demonstration noch entscheident sind. Bei Wirth spielen diese Momente keine Rolle mehr. Seine Arbeiten sind distanziert kühl, konstruiert und beinahe fabrikationsmäßig ..."

 

 

Achille Bonito Oliva, Rom  2.1,1967,  "Günter Wirth - Ausstellungen in Rom, Florenz und Neapel"

 

"Wenn Raffael an die Verwirklichung eines Werkes ging, so hatte er an verschiedenen formalen Problemen zu arbeiten, die ihn dann zu Lösungen führten, in denen die Absicht des Künstlers deutlich nachprüfbar war. Gemeint ist hierbei, inwieweit das die innere Komposition eines Werkes festigende Gerüst auf geometrische Formen, normaler Weise das Dreieck, unter steter Mitwirkung der Farbe, zurückgeführt ist, eben das, was Alois Riegt das "Kunstwollen" nennt.

 

Natürlich kann eine einzig das formale Ergebnis diese Nachprüfung erlauben, angefangen von dem Augenblick der Planung eines Werkes bis hin zur fertigen Arbeit. Diese Arbeit schließlich bietet sich wie eine Lösung von optisch wahrnehmbaren Problemen dar, und das in einer Augenscheinlichkeit, die Riegl als "haptisch" definiert. 

 

Das Werk Wirths präsentiert sich mi der gleichen Augenscheinlickeit. In vielen Dingen werden die "spezifizierten" Techniken deutlich, die der Künstler anwendet, um die ästhetischen Dimensionen im einzelnen Bild zu lösen. Hier bewegt sich außerdem das Kunstwollen in einer ganz kartesianischen Eigenheit des Verfasers. In der Tat ist der Macher in diesem Fall ganz Teil eben der Voraussetzung, die als Raumbegriff existent ist, mit der qualitativen Eigentümlichkeit der Ausdehnbarkeit, wie sie auch in der konstanten Farbe zum Ausdruck kommt. Praktisch geht er von zwei Dngen aus, von einer zentralen Achse, die geeignet ist zu trennen (manchmal besonders hervorgehoben durch einen langen Einschnitt in der Bildoberfläche), und von einer genauen Dimension, dem ästhetischen Raum. Dieser  wird durch geometrische Formen stabilisiert, aber bis zur Asymmetrie hin wieder dislokalisiert. Bei allem aber bleibt die kartesianische Zentralität der Achse berücksichtigt. Und so stabilisieren sich jedesmal zwischen den Kraftlinien Spannungen, die einen als Tor zum Inneren, während die anderen, die von außerhalb des Bildes kommenden Kräfte anziehend, den Raum für ästhetische Handlungen gleichsam kanonisch empfänglich machen, so alle Möglichkeiten einer Entwicklung enthaltend. Man begreift jetzt, wie Wirth die Zentralität als "symbolische Form" betrachtet, in der gleichen Annahme, wie sie seit Ernst Cassirer Gestalt bekommen hat, indem "ein besonderer geistiger Inhalt zu einem konkreten  fühlbaren Zeichen Zusammenhang bekommt, der schließlich zu einer gebotenen Identifikation mit diesem führt". 

 

So bildet sich in dem Werk die Konfiguration des zentralisierten Momentes wie eine bevorzugte Methodologie, und verfolgt man es hinsichtlich seines visuellen Berichtes, so bildet sich ebenso die Frage nach einer Vision der Welt, der es nicht mehr gelingt, den Augenblick der Bildung von Synthesen und Urteilen zu verwirklichen. Es ist verständlich, daß die Dislokalisierung der Formen mit verschiedenen Schnitten zu den Bildkanten so stark geschieht, wie im Autor die Sicherheit der Ausdehnbarkeit des Raumgedankens existiert, der über die Grenzen und Gipfel des Bildes hinweg ausströmt. Aus diesem Grund unterbrechen die Kraftlinien ihren Lauf nicht, sie werden im Gegenteil zerschnitten, was wiederum dazu geeignet ist zu zeigen, daß sie nach ihrem Verschwinden im Raum den Lauf durch die Dimensionen fortsetzen.

 

Zur Kontrolle dieser Absichten, die das Eigentliche  seines Anliegens und seiner Unternehmung ist, benutzt Wirth natürlich von allen Verfügbaren nur solche Zeichen und Farben, die vermittels ihrer optischen Gravur diese Kräftebeziehungen konkret vermitteln können. Ist somit der Anfangsgedanke des Räumlichen bestimmt, so verfügt der Autor zwecks Vermeidung eines Festfahrens dieses Gedankens in einem statischen Maß über solche Farben, die optisch gewissermaßen in dem Umraum überlaufen.

 

Aber zur gleichen Zeit benutzt er für die geometrischen Formen chromatische Beziehungen, die hintergründig außerhalb "ihrer selbst" wirken. Dieses beweist gerade, wie die wissenschaftliche Strenge Wirths die visuelle Erhebung seiner Gesinnung bis zu ihrer Darstlellung hin gestattet, die sich allein jener Spezifikationen bedient, die derselbe Autor bereits in dem Augenblick programmiert hatte, bevor er überhaupt tätig wurde. So wird auch die räumliche Virtualität zu einem leicht erhöhten Element, das wie die reine Ausfertigung des körperlich dargestellten Raumes sein könnte, also zu so etwas wie eine Tiefe, welche die dislokalisierte Asymmetrie der dargebotenen Formen erlaubt.

 

Alsdann ist aber auch ein antimystischer Bestandteil im Werk dargestellt, welcher undererseits aus dem deutschen kulturellen Zusammenhang herkommt und dem es nicht gelingt, die Wahrheit wie ein Mythos anzunehmen. Statt dessen scheint Wirth vom Begriff der "idolopeia" Platons auszugehen und die Tatsachen der Realität in eine neukonstruierte Form zu projizieren, in diesem Fall in eine ästhetische, die dazu übergeht, die vorweggenommenen Tatsachen der Dimension bestehender Ereignisse zu enthalten, auszudehnen und zu ordnen.

 

Eine Systematisierung, die sich dennoch nicht täuscht, eine Teufelsaustreibung zu werden; und so versuchen in der neuen Situation die Zeichen und Symbole keine formale Ordnung im typisch kausalistischen Sinn, keine Widerherstellung der visuellen Hoffnungen des Realen, sondern einzig und allein die Einbeziehung einer Strenge in die chromatischen Beziehungen zwischen ihnen.

 

Die konkrete Malerei, wie sie ganz speziell in Deutschland entwickelt wurde, obgleich sie allgemein zu Lasten der technischen Wirklichkeit geht, wollte nicht darauf hinaus, die anorganische Akzeleriation und dynamische Notwendigkeit der Umwelt wiederherzustellen, die uns umgibt. Man bewegt sich in Richtung einer rationalistichen Teufelsbeschwörung, die aus den festgefahrenen Problemen des Wirkens herauswollte, um sich schließlich als Maler zu einem Spezialisten der visuellen Form zu entwickeln und den Sektor des zugehörigen Handelns zu spezialisieren. In der Praxis, d.h. in den Resultaten blieb man außerhalb jenes Randes der notwendigen Unordnung.

 

Wirth gelingt es, die wahre Spannung zwischen der Aktion und der Vision, zwischen dem Tun und dem Betrachten, in humanistischen Dimensionen und zurückgekehrt zum stoischen Menschen, darzustellen. Und das Tun stellt sich in diesem Fall, in Hinsicht auf Anwendung und "unglückliches Wissen" um die Verhältnisse, als eine vom Mythos schlechterdings objektivierte Offenbarung dar; es ist wie eine Offenbarung der Existenz, wie die die Utopie eine genaue Vorstellung erlaubt, es ist Antizipation. So ist die ästhetische Vorstellung, wie sie sich als Registratur im Verneinen des Realen oder als formale Gegebenheit einer nicht farbigen Welt darbietet, eine Vision, die stattdessen positive Mitteilungen erlaubt:  die Gestaltung der Form in spezifischer Behandlung, eine ästhetische Produktion außerhalb der objektiven Formen ökonomischer Produktion und deren Notwendigkeiten, ein Verlassen der Gegenwart, um sich in einer der Zukuft ähnlichen Perspektive zu situieren. Und das ist wie die Aktion und Modifikation einer sich nicht absolut bewegenden Wirklichkeit, wie Impulse einer formalen Nützlichkeit.

 

Auf Beständigkeit, Notwendikeit des ästhetischen Tuns sowie auf den Vorschlag der formalen Requalifkation von sogenannten Leitzeichen, darauf begründet oder wiederbegründet sich die Operation Wirths, ferner auf Werkzeuge, die ihrer kulturellen Schichtung nach die Aufgabe hatten, die Dinge in einer bestimmten Wechselbeziehung zu festigen, nun jedoch zur Bestimmung statischer Relationen dienen, die sich in der konstanten und notwendigen Unbestimmtheit des Heute orientieren."

 

 

Giuseppe Antonello Leone, Napoli, Ombre e Luci, - su problemi d´arte attualità, anno terzo, nummero uno:  "Günter Wirth".

 

"... das Machen geschieht ... für den Gebrauch und das >>unglückliche Bewußtsein<<  von den Verhältnissen, für die Augenscheinlichkeit, schlerhterdings für die Vergegenständlichung des Mythos; und das heißt, Augenscheinlichkeit des Wesens, welches für seine gleiche Leere eine bestimmte Vorstellung von sich gestattet, wie eine Utopie, und das bedeutet  >>Voorwegnahme<< ".

 

 

 Heinz Ohff, Berlin, Januar 1967:  "Günter Wirth"

 

"... Was er malt und serigraphisch druckt, wirkt auf den ersten Blick wie eine Schule des Sehens. Er erzwingt Aufmerksamkeit wie ein guter Lehrer: mit lapidaren Mitteln. ...  wird er gern im Schubfach "hard-edge" eingeordnet. Es paßt nicht für ihn. Auch mit  speziell deutschen hard-edgern wie Pfahler, Gaul, Quinte hat er wenig oder nichts zu tun. Wenn man so will, liefert er eine Art von hard-edge-ABC. Knappe Formen, die beständig wiederkehren, die sich sogar in endlosen Variationen wiederholen, ohne indes etwas zu "signalisieren". Sollte Wirth zu den Farb-Signal-Gebern gehören, wäre er der nüchternste von ihnen, der systematischste auch, eben der Pädagoge. Da er nicht zu ihnen gehört, müssen wie uns keine Gedanken darüber machen.

 

Damals tendierte Wirth zum "gebauten Bild". Er setzte offene und geschlossene Quader aufeinander, wie es später etwa Paul Uwe Dreyer tat (der dann zu ganz anderen Ergebnissen gelangte). In langwieriger konstruktiver und konstruktivistischer  Tätigkeit entstanden Bilder wie einfache Architekturen. 

 

Der Sprung erfolgte dann plötzlich, um 1961//62. Des ewigen "Tüftelns" müde, zog Wirth aus allem Vergangenen die einzig mögliche Konsequenz. Er gliederte ganz wenige Elemente - schwarze oder weiße strichhafte geometrische Formen in etwa einem großen blauen Feld - zu einer Bildeinheit  zusammen. Aber auch diese Lockerheit entsprach nicht ganz seinem (schwereren) Temperament. Er fand bald zu seinen Blöcken zurück, ohne sie in Zukunft zu "bauen". Er schnitt sie an und er schnitt sie aus, setzte sie in einen farblichen Gegenklang, sei er schwarz-weiß oder rot-blau, trennte sie in zwei verschiedenen Bildebenen, die dennoch zusammenwuchsen, trieb mit ihnen ein nahezu unspielerisches Spiel, eher eine harte, unerbittliche Versatz- und Versetzarbeit.

Das hat wenig Poesie, dafür so etwas wie grobgeschnitzte Sinnlichkeit. Eine Fläche. Und darin der Ausschnitt eines blockhaften Rechtecks. Da Fläche bei Wirth immer zugleich die Grundierung des Bildes bedeutet (er malt mit Plastikfarben, die Lackcharakter haben), ergibt sich in der Gegenfarbe des Block-Rudiments stets eine graphische Wirkung: Da ist nichts außer diesem Gegensatz und da bedeutet auch nichts etwas anderes. Da gibt es keinerlei Assoziationen zur Ding-Welt. Fontana und Albers liegen sehr viel näher als Mondrian und Noland und alle Väter und Söhne des hard-edge.

 

Allerdings: Dieses Kunstmittel wird sehr variabel gehandhabt. Gelb auf Weiß (Titel, aber alle Titel bleiben zufällig bei Wrth. "Yellow Submarine") wirkt wie ein Pfeil nach unten. Es ergeben sich V-Formen, U-Formen, O-Formen und anscheinend willkürliche Rechteck-Ausschnitte, die keinem Buchstaben gleichen. Einbezogen werden zuweilen auch führende Op-Wirkungen in Rot-Blau oder Grün-Blau. Aber Bezüge fehlen völlig. Sie sind weder herzustellen zu den uns bekannten Kunstrichtungen noch zu irgendwelchen Erscheinungen der bekannten optischen Welt. Sie bewegen sich als Einzelgänger zwischen dem hard-edge und der Monochromie - die eine Lieblingsvorstellung Wirths ist und in deren Richtung er wohl auch vordringen dürfte. Man wird daraufgestoßen, oft sogar ein bischen brutal (ebenfalls wie bei einem guten Pädagogen), ud man bleibt darauf hängen. Alles "Schleifchenhafte" ist weit weg. Hier wird, buchstäblich, Dekoration betrieben im höchsten Maßstab, eine vereinfachte, formelhafte Bilddekoration, die man, adäquat dem immer noch unpublizierten Grundlagen-werk Wirths, am besten als eine "gebundene Kunst" definieren könnte, eine Kunst zwischen musischem Selbstzweck und erklügelter, weithin variabler Pakativität. Reflexion und Spekulation halten sich - durchaus gleicberechtigt - die Waage.

 

In einem Katalogwort von Joachim Reinke heißt es:  "Zufäligketen und Texturen, wie sich aus dem Vorgang des Malens ergeben könnten, werden nicht geduldet. Nichts  darf von den Bildern ablenken, kein Detail den Betrachter zum Nähertreten verleiten. Dem Vorgang des Malens kommt keinerlei  Bedeutung zu."  Es ist noch gar nicht einmal so lange her, da nahm man den Malprozeß sebst als Absolutum. Wirth steht zu ihm allerdings in einem Gegensatz, der das Getrennte schon fast wieder vereint, wie sich überhaupt Extreme einander eher gleichen, in einem Ring schließen, als Dinge der edlen, abgewogenen Mitte. Nahm das Informel den Malvorgang absolut, so nimmt Wirth, ihm weit mehr verwandt als dem nachfolgenden hard-edge, den Bild-Zweck ähnlich unbedingt. Da haben sich die Akzente verlagert - aber nicht die Grundsätze.

 

Psychogramme, die ins Objektive zielen, das dürfte Wirths Bildern und Graphiken näherkommen als jene Verbindungslinien zu neueren Kunstmaßstäben und Vorstellungen."

 


Luca, Neapel 28.1.1967:

 

"Um die Entwicklung des aktuellen Kunstgeschehens in seiner ganzen Verquickung zu verfolen, hilft die Betrachtung von Wirths geschlossenem und überaus fleißigen Werk. Man versteht, welche und wie viele historischen Verwicklungen heute in seinen wesentlichen und suggestiven Leinwänden zusammenlaufen.

 

So wie etwas zu einem Sinnbild wird, macht man sich das Bild einer Idee. Und so wie diese kann sie ein "Gesicht" annehmen und wie ein "lokalisierter Charakter" wiedererkannt werden. Phantasie wird zum "Raum", in welchem der Künstler die fühlbaren Bestandteile einer ersehnten Eintracht zwischen Vernunft und Gefühl offenbart, wie der Einklang zwischen Mensch und Umgebung (Raum), erreichbar in den Grenzen einer realen Situation, wiederzuerkennen in seiner Natur und seinem geschichtlichen Augenblick.

Wirth tritt wieder in die Regeln und Erfordernisse einer  "neuen produktiven Ordnung"  ein, in jene gleichen Elemente einer vitalen Entwicklung der Form, die heue möglicherweise besitzergreifend erscheint, in die magische Gelegenheit einer allerhöchsten poetischen Entdeckung. Er wechselt nicht zu einer "euklidchen Wiederkehr" und nicht zu einem einfachen Schrei nach "Geometrie", wohl aber zu einer heiteren, unbefangenen und glücklichen Operation, zu geeigneten Fornen für ein bestimmtes Milieu und einer Kultur. In diesen Bildern liegt eine antike Weisheit, ein kulturelles Verständnis der professionalen Verpfichtungen eines Künstles, der in den Regeln von "Produktion und Konsum" komponiert, in einem Bewußtsein der notwendigen Beziehungen zwischen kultureller Fortdauer und der erforderlichen Neuerung des Ausdrucks und der Form. Funktion und Freiheit fallen da zusammen, außerhalb jeder dogmatischen Anwandlung.  Die Formulierung verschwindet, und zurück bleibt der fortdauernde Zauber von Freiheit, Lockerheit und Vermittelbarkeit der "Gestaltung.

 

Wirth beschreibt heute wieder einmal eine Einführung in ein neues Engagement, das denjenigen einen  "arianischen Faden" bietet, die in das endlose Labyrint der aktuellen Kunst eindringen wollen, und die ein ganz spezielles Interesse bekunden, das über die Grenzen des Neuen hinausgeht, um eine tägliche Meditation zu werden, für viele von uns, die praktische Kunst betreiben."

 


Hort Glaser, Hofheim/Ts., 20.10.1968:  "Vorläufige Bemerkungen zu Bildern Günter Wirths".

 

"Was die Bilder Günter Wirths näher bestimmt, isi ein gewisser technischer Rationalismus, der in der geometrischen Konstruktion offenbar wird. Verstärkt wird dieser Charakter durch die Kunststoffolien der Collagen. Dieser Rationalismus hat auf manchen Bildern einen Zug von Agressivität. Gar zu spitz, als das daß es sich aus Notwendigkeiten geometrischer Raumaufteilung erklären ließe, stoßen die schwarzen Winkel in die leere Bildfläche vor. In diesem geheimen Ausdruck der anonymen Konstruktion unterscheiden sich seine Bilder von dem industrial design, das sich der geometrischen Konstruktion weithin nun bemächtigt hat."

 


Günter Pfeiffer, Frankfurt, 28.10.1969:  "Tanz der Rechtecke".

 

"... Thema ist immer wieder ein schwarzes Rechteck, dessen Seiten kräftig verdickt erscheinen, so daß man die Luftaufnahme einer rechtwinkligen Aschenbahn zu sehen meint. Diese Form vaiiert Wirth so einfalllsreich, daß der Betrachter ein geometrisches Tanzspiel erlebt, dessen Szenerie über den Bildrahmen hinausgreift. Das Rechteck dringt von links, von rechts, von oben oder unten in das Bildfenster ein, zeigt sich ganz oder teilweise, dynamisch oder statisch, rätselhaft oder deutlich. Das Umfeld ist andersfarbig gehalten, aber die Farbe spielt bei Wirth, sosehr er der konstruktivistischen Malerei eines Max Bill und Josef Albers nahesteht, keineswegs die Rolle des Hauptakteurs.

 

Ihm kommt es nicht auf raffinierte Op-Art-Klänge, auf eine Musik der reinen Farben an, sondern auf die formbetonte Information, die von der Farbe nur deutlicher gemacht wird. Er koloriert gewissermaßen, damit die geometrische Spannung sich steigere.

Darin ist er den klassischen Meistern des  "Stijl", des  "Neoplastizismus" verwandt, und in der Tat ähnelt die Gesamtstimmung der Bilder stark derjenigen von Mondrians Tafeln und von Moholy-Nagys dynamischen Konstruktionen, wo farbliche Unterkühlung exakt mit dem sachlichen Formen-Vortrag korespondierte.

 

Wirth erweist sich bei dem Schauspiel der Rechtecke, das ürigens - wenn man mehrere Tafeln neneneinander stellt - an das erste abstrakte Kinderbuch, ein Spiel der Quadrate von El Lissitzky, erinnert, als virtuoser Regisseur, der zugleich ständige Selbstzucht übt und desalb nie unverbindlich-geschmäcklerisch wird. Er ist aber auch kein Superasket wie die Puristen der Architektur. Die Bild vermitteln vielmehr, weil Ordnung hier das Ergebnis eines unbändigen Spietriebs ist, ein Gefühl von Freiheit. Der Bildrahmen wird zufällige Begrenzung, der Betrachter ergänzt das Sichtbare durch Fortetzungen ins Unsichtbare, auf den Schienen von Raum und Zeit.

 

Max Benses Informationsästhetik nahm sich der Arbeit Wirths an. Aber die merkwürdigen Wertvorstellungen und dessen Wertskala lassen Wirth unbekümmert. Er läßt sich durch sie nicht stören. Denn er strebt in vielen Arbeiten der sujektiven Innovation zu, die seine Rechteke so faszinierend lebendig erhält."

 


Günter Pfeiffer, Köln, 25.2.1970:  "Konzentration".

 

"...  Nach dem allbewährten Prinzip "pars pro toto" gelingt es ihm, dem Fragment mehr Präsens einzuhauchen als dem bekannten Ganzen. Aus der Korrespondenz von Sichtbarem und Dazugedachtem entsteht ein neues Gleichgewicht."

 


Günther Ott, Köln, 26.2.1970:  "Quadrat und Zweiklang"

 

"...  so kann man Wirths Palette und dessen Zweiklänge, im ganzen gesehen, kaum als asketisch zu bezeichnen, zu mannigfaltig sind hier die gebrochenen Farben ... und begegnen sich in eigenartigen Spannungen ...."

 


Günter Wirth, Berlin/Neapel, August 1990:  "Über meine Collagen."

 

"Gegenüber den Leinwandbildern haben meine Collagen dank ihrer medialen Besonderheit (Format und Material) den Vorzug einer größeren Unmittelbarkeit der Darstellung. sie wirken auf den Betrachter intimer, sind sie doch wesentlich spontaner und in geringerem Zeitablauf entstanden, was durh das kleinere Format unterstützt wird. Als Arbeiten mit Papier und Karton sind sie auch ideelles Experimentierfeld. Von vielen Collagen habe ich Multiples hergestellt und damit die bereits 1967 begonnene Reihe der Auflagenobjekte wieder aufgegriffen, wobei ich geringe Auflagen von zwei bis zehn Exemplaren bevorzuge. Diese multiplizierten Objekte kommen einer wachsenden Nachfrage  entgegen, bieten dabei aber als Originalarbeiten einen wesentlich höheren Wert als Druckgraphiken, die allerorts in geradezu inflatorisch anwachsender Zahl herausgegeben werden. Durch die Hinzunahme von fremden konkreten oder auch informellen Gründen zu einer stengen ratinalen und konstrukiven Form ergibt sich eine Synthese, die zu einem additiven Miteinander und zu einem dekorativen Kontrast führt.  1990 wurden erstmals serielle Kompositionen, Reihungen, Kippungen und Doppelbilder erarbeitet.


Durch die Verwendung vov nur einer konkreten, konstrutiven Form (Formvorgabe) in den meisten meiner Arbeiten wird deutlich, daß es mir nicht auf Formfindung ankommt; vielmer sollen innerhalb dieser Selbstbegrenzung durch immer neue Variationen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um zu neuen "Bildern", zu neuen Kompositionen zu gelangen. Das kleine Format der Collagen bietet ganz andere Möglichkeiten und Lösungen als die Malerei auf Leinwänden. Im Arbeitsprozeß stehen sich Emotion und Ratio gleichrangig gegenüber. Gegensätzliches wie Spontanität und ruhiges Kalkül, Dynamik und Statik, Aktion und Kontemplation spielen dabei wechselseitig mit und führen zu dialektischen Ergebnissen. Schnitte in den Collagen dienen, wie schon in den späten Leinwänden, dazu, die Überführung der Bildfläche in den Raum zu verstärken, während in den momochromen Arbeiten, wie auch in den konstruktiven und informellen Gründen, der illusionistische Raum wieder getilgt und in die Bildfläche zurückgeführt wird. So werden beide gegensätzliche Extreme miteinander vereint. Während in den frühen Arbeiten der Jahre 1964 bis 1966 der Bildraum auf den das Bild umgebenden Raum übergreift, diesen also einbezieht, wird in den heutigen Collagen der Innovationsraum durch den Bildraum beschränkt. Dabei überrascht mich immer wieder zu erleben, wie groß der Spelraum bleibt. Zeugten die gemalten Bilder von einer gewissen Ausschließlichkeit, so sind die Collagen intimer und bieten ein buntes, vielseitiges Miteinander vieler gestalterischer Möglichkeiten."

     


Karten Stroschen, Berlin, November 1991: "Die Beherrschung des Raumes bei Günter Wirth"

 

"Über Jahrhunderte hinweg dominierte in der Kunst ein hauptsächlicher Zentralpunkt: Die Beherrschung des Raumes. Zur Bewältigung dieses Problems kannten die Künstler für lange Zeit nur ein Mittel, das Füllen des Raumes mit strukturierter Umgebung, z.B. durch Hintermalen in einem braunn Ton. Der ständige Kampf mit dem Raum führte schließlich in der Malerei zur Belebung des Hintergrundes, beispielsweise durch Andeutung von Himmel und Erde. In der Baukunst zur Entwicklung der Ornamentik und später zur freistehenden Plastik. Alle diese Lösungsversuche lenkten jedoch nur von diesem Problem ab, bewältigen konnten sie es nicht. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es dem künstlerischen Geist, sich von den Fesseln des Raumes zu befreien. Auf dem Umweg über die Abstraktion wurde die räumliche Aussage über die der inhaltlichen gestellt. Und so schien es, als strebe die moderne Kunst letzendlich danach, ein völlig strukturloses Werk von außen her zu beherrschen.


Die seit 1955 entstandenen Arbeiten Günter Wirths laufen zunächst scheinbar gegen diesen Trend, da der Raum durch von außen in ihn hineingreifende Einwirkungen beherrscht wird. Die Hintergründe werden zeitweise sogar strukturiert, durch scripturelle Collagen (siehe Synthetik von Informel und Konkret!) oder auch einfach duch bestimmte Texturen des verwendeten Materials. Bei den Collagen No.55 YOU ARE LEAVING oder der KUWEIT-Folge, Collagen No.93 bis 95!) beginnt der Informationsgehalt sogar die Flächenstruktur zu verdrängen. Um die Umgebungwieder stärker in das Werk einzubeziehen, beginnt der Künstler Schnitte in die Collagen einzufügen. Das Werk wird nun zur Basis der die räumliche Umgebung beherrschenden Kräfte. Naturgemäß steht für den Betrachter die innere Struktur des einzelnen Werkes in Vordergrund, während für den Künstler und den Kunsthistoriker die Variation von Werk zu Werk diese Stelle einnimmt. Die moderne Kunst ist mehr als alle früheren Künste vom Gesamtwerk des einzelnen Künstlers geprägt, und die Betrachtung von Einzelwerken ist heute nur noch selten befriedigend.


Günter Wirths Werke der 70er Jahre, so z.B. die Collage No.3, zeigen noch die Tendenz, die Strukturen an den Bildrand zu rücken, sie scheinen die Fläche verlassen zu wollen und damit das Ziel einer späteren Strukturlosigkeit anzudeuten. Heute dagegen erfolgt die Komposition ähnlicher Formen zu immer neuen Formationen auf  absichtlich begrenzter Grundfläche und ohne den massiven Trend nach außen. Der künstlerische Wert aller dieser Werke ist nur in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Bei ihnen kommt zu den zwei Dimensionen der Malerei, den drei Dimensionen der Collage noch die vierte Dimension, die der Zeit, hinzu.


Bei den neueren Arbeiten, den Collagen No.76, 85 bis 90, der Verbindung von informellen und konkreten Elementen (siehe Synthetik von Informell und Konkret!), deutet sich bei Wirth wieder ein Trend der Strukturen nach außen an. Ob dies zu einer Renaissance der Idee der Strukurlosigkeit führen wird, bleibt abzuwarten. Typisch ist für ihn jedenfalls der bewußte Verzicht auf die Vergewaltigung des Raumes durch Vortäuschen einer dritten Dimenson."

 


Harry Hempel, Berlin, 1991:  "Anmerkungen zu Günter Wirth"

 

"Nach abstrakten und konstruktiven Kompositionen, zum Teil mit Collageelementen (z.B. Zeitungsausrissen) experimentiert Günter Wirth mit einer Minimal Art unter ständiger Reduktion der Malfläche und mit tachistischen Monotypien in Schwarz-Weiß. Seine konkrete Malerei geht daraus hervor, zunächst dynamische Farb-Raumklänge auf Leinwand. Druckgrafik schließt an. Lithographien und Siebdrucke (Serigraphien). In den siebziger Jahren folgen Collagen, auch in Kunststoff-Folien-Technik. Wirth findet seine Bildsprache: immer wieder ein großes blockhaftes O, in vielerlei Variationen, Segmente, Reihungen, Kippungen, Doppelbilder, die Spannung zwischen Raum und Bildfläche immer wieder anders auf die Spitze treibend, um  "den Betrachter in einen hochst komplexen Bildraum einzubeziehen, in welchem er sich nicht nur äußerlich befindet, sondern durch den er  zu einer Identifizierung mit seinem Ich gezwungen wird. So steht der Bildraum gewissermaßen für unser Innerstes, wobei das Bild selbst zur Chiffre unseres Bewußtseins wird". (zitiert nach Günter Wirth: >Über meine Arbeit<, Mainz 1967)."

 


Günter Wirth, Berlin, 1991:  "Von den Leinwänden der sechziger Jahre zu den heuitigen Collagen"

 

"Seit Beginn mener Beschäftigung mit konkreter Malerei legte ich nicht so sehr Wert auf die Herstellung sich selbst genügender Werke, als auf das Untersuchen und Sichtbarmachen von Sachverhalten, Spannungen in Fläche und Raum. Das ferige Bild sollte nicht etwas uneingeschränkt Autonomes sein, sondern sich sowohl dem Raum als auch dem subjekiven Betrachter offnen. sollte Beziehungen herstellen zur Umwelt, zum Mythos und zur Philosophie. Reduziert bis zu einer "minimal art", zu einer "Arte povera", wurde eine Art Grundlagenforschung betrieben, die schließlich zu einem Ende führte und nicht weiter fortgeführt werden konnte. Hinzu kam die spezifische Entwicklung  in der Berliner Szene, "Neuer Realismus" und "Wilde Malerei", die zu einer gewissen Frustration führte. Aber allmählich reifte dialektisches Gedankengut, und sparsam wurde Gegensätzliches eingeführt: Der Raum wurde wieder an die Bildfläche gebunden, die konkreten Konstruktionen mit informellen Elementen konfrontiert, die monochrome Gestaltung zu farbigen Vorlagen in Beziehung gebracht. Die Strenge und Konsequenz, wie sie die analytischen und rein konzeptuellen Werke der sechziger Jahre auszeichnete, wich einer lockeren und experimentierfreudigen Haltung. Zudem fand ich in den kleinen Formaten der Collagen eine Ausdrucksform, die meinen Ansprüchen an Klarheit und Präzision im Kleinen gerecht wird, die aber trotzdem monumentale Wirkungen erzeugt. Hinzu kommen eine optimale Handlichkeit dieser Objekte und eine durch die geringe Größe leichtere Transport- und Verandmöglichkeit."
              
  
David Rosenbaum, Köln, im August 1991: 

 

"1955 entsteht in Neapel schließlich das erste aus rechwnkligen Flächen gebaute Bild, das Ausgangspunkt für sein ganzes weiteres Schaffen werden sollte. Bezeichnenderweie erhielt es den Titel "Ringraziamento alla Sirena Partenope", Danksagung der Sirene Partenope, der Schutzheiligen Neapels. Ausschnitte dieser Arbeit wurden für neue konstruktive Kompositionen verwandt. "Corsa Interna" in Öl und collagierten Busfahrscheinen wurden sodann immer weiter reduziert, bis nur noch zwei Farben übrig blieben, "Black and Brown only" . Dieses Motiv wurde dann 1959 als Litographie gedruckt und 1964 für den Berliner Kunstmarkt. Eine weitere Reduzierung der gebauten Bilder führte dann zu "Colours Eliiminated" und zur Ausführung als Cover für die Mitteilungshefte der Pädagogischen Hochschule Berlin. Weitere in Italien entstandene graphische Entwürfe, die dann nicht ausgeführt wurden, sind "Composition 6 und 8. (siehe auch bei konkreten Arbeiten!) 

 

In den Jahren 1963 bis 1969 leitet Wirth in Berlin eine eigene Galerie und engagiert sich in zunehmendem Maße für Künstler mit einer klaren optischen Didaktik. Er stellt alles ihn Interessierende aus den Bereichen von Konstruktivismus, Kinetik und Op-Art aus und beginnt selbst auf großformatigen Leinwänden mit Dispersionsfarben dynamische Farb-Raumklänge zu gestalten, wbei ihm anfangs die Farben Schwarz und Weiß genügen. Ausgangspunkt zu diesen neuen Arbeiten ist sein Bild "Colours Eliminared" von 1955.  Ausschnitte davon werden schräg ins Bild gesetzt, wodurch aus der anfänglichen statischen Ruhe und Ausgeglichenheit eine starke Dynamik erzeugt wird. Diese Bilder suggerieren Bewegung, die die zweidimensionale Bildebene zu einem imaginären Bildraum ausweitet. "Black Marks I und II" sind die ersten Graphiken, die in einer Edition erscheinen, hergestellt im Siebdruckverfahren. Es folgen für drei weitere Editionen "Beat of our Time" in Rot und Schwarz, "Print 6 und 7" in Blau und Rot, sowie "Trias" als schwarz-weiße Gemeinchaftsarbeit mit Hauffe und Rohrberg.  1967 erhält er den Auftrag für drei weitere schwarz-weiße Serigraphien "Black Sound", "Yes, I´m In" und "Viva Maria", zu denen er selbst schreibt, warum er mit einer einzigen Form,  einem großen blockhaften 0, auskommt. Ihn interessiert in erster Linie der Raum als Erfahrungswert, als Formel, für die die Zeit keine Rolle spielt. Im gleichen Jahr schreibt Heinz Ohff im Magazin KUNST über ihn: "Es ist noch gar nich einmal so lange her, da nahm man den Malprozeß selbst als Absolutum. Wirth steht zu ihm allerdings in einem Gegensatz, der das Getrennte schon fast wieder vereint, wie sich überhaupt Extreme einander eher gleichen, in einem Ring schließen, als Dinge der edlen, abgewogenen Mitte. Nahm das Informel den Malvorgang absolut, so nimmt Wirth, ihm weit mehr verwandt als dem nachfolgenden hard-edge, den Bild-Zweck ähnlich unbedingt. Da haben sich die Akzente verlagert - aber nicht die Grunsätze. Psychogramme, die ins Objektive zielen, das dürfte Wirths Bildern und Graphiken näherkommen als jene Verbindungslinen zu neueren Kunstmaßstäben und Vorstellungen." 

 

Während viele Maler Kunst machen gegen etwas und der Auffassung sind, daß Qualität der eigenen Arbeit darin liegt, eine Stellung gegen andere Kunstäußerungen zu beziehen, so hat das Wirth nicht nötig, denn er hat seine eigene Qualität, scheert sich wenig um andere Theorien und strebt in seinen Arbeiten, wie Günter Pfeiffer sagt "unbekümmert ... der subjektiven Innovation zu, die seine Arbeiten so faszinierend lebendig erhält". Die ganz eigene Qualität Wirths drückt sich auch in der Wahl der Mittel aus, die so einfach wie möglich zu handhaben sein sollen, industrieller Fertigung angepaßt. Das verblüfft die Kuratoren der Museen, die seine Arbeiten sammeln und ihm immer wieder bestätigen, so etwas noch nicht in ihren Sammlungen zu haben.

 

Bei seinen Arbeiten nimmt Wirth ganz klar für etwas Positives, Konstruktives Stellung. Nicht "aus dem Bauch heraus", sondern vom Intellekt her und im ständigen Dialog mit sich selbst findet er zu neuen Erkennnitnissen. Zu dieser Selbstreflexion kommt bei ihm aber noch ein Quäntchen Aufmüpfigkeit und Ironie dazu. Beides ist zwar gegen etwas gerichtet, hat aber den Vorteil, schon wieder halb für etwas zu sein. Und das wird von ihm dann konsequent herausgearbeitet und realisiert, oft in diversen Variationen und auf stetig höheren Enwicklungsstufen, so lange, bis er der Meinung ist, den Endpunkt erreicht zu haben, wo er sagen kann; "So, und nicht anders!".

 

Nach zahlreichen stark beachteten Ausstellungen im In- und Ausland, u.a. beginnt sich die Informationsästhetik mit der Schule Max Benses für ihn zu interessieren, und Achille Bonito Oliva schreibt über ihn und seine italienischen Ausstellungen, stellt Wirth leztmalig Lithographien und Siebdrucke dieser Epoche her ("Prints 12 bis 20"). Hierbei kommt den "Prints 17 und 19" sein besonderes Interesse an monochromen und op-artigen Wirkungen zum Ausdruck, was 1970 zu Arbeiten mit Kunststoff-Folien ("Collagen 1 und 2"), sowie 1990 zu fast einfabigen Werken ("Collagen 33 und 35" führt.  1968 geht er dazu über, Auflagenobjekte mit Dispersionsfarbe auf vorgefertigten, auf Spanplatten aufgezogenen farbigen Buchinderleinen herzustellen, von denen zwei Arbeiten ("Object Multiplicated No.6 und No.7") von einer Freiburger Edition als Multiples herausgegeben und 1970 zusammen mit Collagen von Jiri Kolar in Köln ausgestellt werden.  
  
1985 beginnt Wirth mit der Überarbeitung alter Serigraphien, die er zershneidet und neu zusammensetzt, in Trennungen, Reihungen und Kippungen ("Collagen 10, 71 und 19")."

 


Britta Sander, Berlin, 5.9.1991:  "Rechtecks-Liebe"

 

"Neapel, Paris, London - die Museumsmitarbeiter und Sammler dieser Städte kennen Günter Wirth gut. In seiner Heimatstadt Berlin ist der 59jährige mit seinen Arbeiten bisher wenig in Ausstellungen zu sehen gewesen.

Schon früh stellte der gelernte Tiefbauingenieur seine Arbeiten in den genannten Orten aus. Bilder, die etwas ganz typisches aufweisen, "sein Zeichen" nämlich ist das Rechteck. In der Mitte nochmals rechteckig ausgeschnitten, ähnlich einem Fenster, ragt es auf einfarbigem Untergrund mal in das Bild hinein, mal scheint es fast herauszukippen. Der Betrachter soll in die Arbeit eingeschlossen werden, indem er das Bild "weiterdenkt". Ohnehin kommt es Günter Wirth nicht auf den Vorgang des Malens an. Die schöpferische Idee ist für ihn wichtig. "Das Werk sebst kann nachgemacht werden", erklärt er, "mein Konzept aber bleibt erhalten".

Enttäuscht von der Berliner Kunstszene zog er sich 1970 zurück, lebte mit seiner Familie in Heiligensee und widmete sich seiner Lehrtätigkeit. Erst der Direktor der Staatlichen Museen (anm. Eberhard Roters) überzeugte ihn, auch in unserer Stadt auszustellen.

Seit zwei Jahren verarbeitet er sehr experimentierfreudig frühere Werke zu Collagen. Zum typischen Rechteck kommen geschwungene Formen. "Aus Kunst wird Kunst".  Ein Atelier benötigt der Sammler  aller technischen Miniaturen nicht, Tisch und Stuhl genügen ihm. Zu seinem künstlerischen Ziel meint er verschmitzt: "Mir schweben Bilder vor, auf denen nichts ist."

 


Günter Wirth, Berlin, 3.1.1995:  Aus einem Brief an Felix Odenbach.

 

"Die Wege des Erfolges sind höchst wunderlich. Man steht daneben, beobachtet alles - fast wie ein Fremder - und begreift erst spät, daß man drin ist."