1961: Neckarstraße***
Günter Wirth brachte Dagmar nach Hause in die Neckarstraße in Neukölln. In der Sraße an der Ecke Karl-Marx-Straße war ein großes Berliner Kaufhaus. Links neben dem Kaufhaus in der Karl-Narx-Straße, war die Filiale einer Berliner Instituaiion, die in Berln beliebte Gaststätte Aschinger, die in Berlin in allen Stadtteilen mehrere Filialen betrieb. Sie war bekannt für ihren Erseneintopf, eine
Erbsensuppe mit Würstchen. Dazu gab es noch zwei kleine Brötchen, sodaß ein hungriger Arbeiter davon satt werden konnte.
Sie hieß Dagmar Kinker, war 17 Jahre alt und besuchte noch die Nahrungsmittel-Berufsschule in der Pfalsburgerstraße in Berlin-Wil- mersdorf in der 3. Klasse für Fleischereimamseln und Fleischwaren-Verkäuferinnen. Sie wohnte mit ihrer älteren Schwester in der el-
terlichen Wohnung eines Vierstöckigen Wohnhauses mit Seitenflügel in ersten Geschoß, hatten ein großes Eckzimmer mit nur einem
Fenster zum Hof hin, eine Küche und ein Badezimmer. Im Wohn/Schlafzimmer standen neben Stuhl und Tisch noch zwei Ehebetten.
In einem der beiden Ehebetten scliefen die Eltern, Max und Frau Elfriede Kinker im anderen Ehebett Dagmar mit ihrer Schwester.
Günter Wirth wohnte ja noch bei seinen Eltern in der vier/einhalb Ruinenwohnung der Mindenerstraße 22 in Charlottenburg, er war der Umstände wegen nicht verwöhnt und war des beengte Wohnen vertraut.
Das Haus stand am unteren Ende der Neckarstraße, schräg gegenüber eines großen Kaufhauses an der Ecke zur Karl-Marx-Straße.
An der linken Seite des Kaufhauses befand sich eine Berliner Instituation, eine Filiale der Gaststättengruppe Aschinger, die überall in
Berlin in allen Stadtteilen ihre bekannten und beliebten Filialen unterhielt. Bei ihnen gab es den berühmten Erbseneintopf, das war
eine Erbsensppe mit Würstchen. Für ausgehungerte Besuchen gab es zusätzlich noch zwei kleine Brötchen.
Einmal kam unverhofft Dagmar´s Cousin verbei, der ein paar Häuser weiter in der Nackarststraße wohnte. Als Dagmar und Günter gingen, sagte er zu den Eltern von Dagmar, "Das war ja ein Lehrer unserer Schule." Nun wußte Elfriede Bescheid". Ihre Tochter und ein Oberstudienrat! Fortan behandelte sie ihn wie ein Rohes Ei. Es gab immer ein besonders gutes Essen. Sie wollte sich ja den
OStR für ihre Tochter warm halten.
Günter Wirth war oft in der Kinker´schen Wohnung, immer zum Abholen oder zurückbringen von Dagmar. Meistens benutzten sie die S-Bahn und stiegen, um nicht gesehen zu werden, zwar in den selben Wagon ein, aber in zwei verschiedene Abteile. So waren sie sicher vor unfreiwilligen Begegnungen mit Mitschülern, denn die kamen ja zur Berufsschule in Wilmersdorf aus allen Stadtteilen von Westberlin.
In Jungfernheide verließen sie die S-Bahn und gingen zu Fuß weiter bis zur Mindener Straße 22. Sie blieben dort und sahen mit sei-
nen Eltern im Fernseher die Nachrichten und die Tagesschau. Seine Eltern und die Großmtter hatten sich an Dagmar gewöhnt. Wenn
die Nachrichten vorbei waren, verschwanden sie schnell, denn Günter mußte Dagmar den langen Weg nach Neukölln zurück brin- gen. Den Weg schenkten sie sich und gingen lieber in den Gustav-Adolf-Platz (jetzt Mierendorffplatz), wo sich ein durch dichtes
Buschwerk uneinsehbarer und geschützter Kindersandspielplatz mit umgebenden Bänken befand. Bei schlechten Wetter blieben sie
im Haus und gingen in den fünften Stock und machten es sich in dem Übergang von der Waschküche zum Trockenboden bequem.
Günter Wirth machte Dagmar auch mit seinen ostberliner Freundschaften bekannt. Als er Uta fragte, wie sie Dagmar fände, sagte sie
nur kurz und Bündig: "Dumm und geil" und traf den Nagel auf den Kopf.
Aber als Dagmar schwanger wurde und ihre Mutter Elfriede mit Tochter und Günter alle ihr bekannten Ärzte wege einer Abtreibung
aufsuchte und von allen abgelehnt wurde, war es Uta, die half. Sie hatte von einem Wesberliner Arzt gehört, der seine Praxis auf dem
westberliner Kurfürstendamm nahe dem Bahnhof Halensee hatte. Er behandelte aber keine westberliner Frauen, sondern nur Frauen
der DDR. Dagmar nahm mit ihm Kontakt auf und gab sich als aus der DDR kommend aus. Zum verabredeten Behandlungstermin fuhr Günter sie zu der Praxis und wartete unten im Auto auf sie. Die Behandlung mußte im Voraus entrichtet werden und kostete 300 Mark, ob in West- oder Ostwährung, weiß Günter heute nicht mehr. Nach der Behandlung fuhr er sie nach Hause in die Neckar-
traße. Als in der Nacht starke Blutungen sich einstellten, bekam auch ihr Vater das Geschehene mit.
Günter Wirth fühlte sich der Familie Kinkel gegenüber verpflichtet und als er einige Tage später wieder nach Paris mußte, um neue Aufnahmen von Sehenswürdigkeiten zu machen, nahm er sie mit. Für Elfriede war es ein Highlight, der Oberstudienrat und ihre Tochter Dagmar in Paris, für Günter war es reine Routine, da er jedes Jahr vor Abreise zu seinem Atelier in Neapel zuerst nach Paris fuhr.
In Paris quartierten sie sich in der Nähe der La Madeleine ein, einer außergewöhnlichen Kirche in der Architektur eines römischen Tempels. In einem Gesclhäft für Damen-Dessous kaufte Günter ihr noch ein kurzes Babydoll, daß kaum ihre Putzwolle bedeckte.
Am Morgen nach dem Frühstück entdeckte er, da0 der Verschluß zwischen der Kamera und dem Stativ klemmte Er nahm ein Stück Papier und malte eine Flachzange drauf und zeigte es der Vermieterin. Die vestand und holte ihren Werkzeugkasten Der Schaden
war schnell behoben.
An nächsten Tag gingen sie zum Place Vendome, einem der fünf "Königlichen Platze" der Stadt. Sie liegt zwischen der Pariser Oper
und dem Tuileriengarten und hat in der Mitte des Platzes die Vendomesäule, die nach dem Vorbild der Trajanssäule in Rom gemacht
wurde.
.
.