1958: Jens Gerlach
Jens Gerlach wurde 1926 in Hamburg geboren und studierte nach seiner Schulausbildung von 1947 bis 1951 Kunstgeschichte und Malerei. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit verschiedenen .Arbeiten und befaßte sich nebenbe mit der Lyrik. Mit eigenen lyrischen Arbeiten hatte er keinen Erfolg und mußte stattdessen Werbesprüche verfassen.
Er siedelte 1953 in die DDR über und wohnte in Ost-Berlin. Hier lernte er die Mannheimerin Katja Bischoff kennen. Sie heirateten
und fanden in Adlershof eine kleine Einzimmerwohnung. Hier war Günter Wirth jahrelang als Gast und übernachtete auch. Katja war
wie ihre Elten Kommunist. Als solche bekamen sie in Mannheim keine Arbeit . Nach abgeschlossener Ausbildung als Ballettänzerin
ging sie deshalb 1954 Ost-Berlin. Hier wurde sie als Ausbildnerin des Kinderballetts der Staatsoper Berlin eingestellt. Hier lernte sie
Jens Gerlach, einen aus Hamburg gekommenen Lyriker kennen und sie heirateten. In Adlershof bekamen sie eine Einzimmerwoh-
nung. . Hier wurde Günter Wirth fast ein täglicher Gast und wenn es spät wurde, übernachtete er auch. Er verfaßte aus Dankbarkeit
zur neuen Heimat eine kleine Lyrik und nannte sie "Der Gang zum Ehrenmal", die umgehend veröffentlicht wurde. Gemeint war das aus Marmorbruchstücke der Reichskanzlei erbaute sowjetische Ehrenmal in Treptow. Jens war über diese Veröffentlichung
nicht sehr erfreut und versuchte, das kleine rot gebundene Büchlein aus verschiedenen Buchläden zurückzukaufen.
Als Günter Wirth mit Jens Gerlach auf dem Alex spazieren ging und er gesprächsweis sagte, man könne ja in der DDR ncht alles sa-gen was man neine, sage er nur, warte mal und ging zu dem auf einem Podest stehenen Verkehrspolizten und sagte "mein Freund aus West-Berlin glaubt man könne in der DDR nicht seine Meinung sagen, da fragte ihn der Polizist, " und welche hast du denn?" Jens gab zur Antwort "Ich bin der Meinung, der Zentralrat ist ein Drecksverein", da beugte sich der Polizist runter und sagte: "Der Meinung bin ich auch, Genosse".
Er wurde Günters Freund, war unerschrocken, aufrichtig und geradlinig. Als Günter Wirth in West-Berlin sein Staatsexamen als Ge-werbeoberlehrer gemacht hatte, aber keine freie Stelle fand und vorübergehend als Tiefbauingenieur bei der West-Berliner Stadtent-
wässerung anfing, brachte er Günter Wirth zum Ost-Berliner Magistrat. Sie hätten ihn umgehend eingestellt, wenn er nach Ost-Berlin umzöge. Aber dazu kam es nicht, denn nach drei Monaten bot sich ihm eine Stelle als Mathematik- und Dekorationslehrer an der Nahungsmittel-Berufsschule in Wilmersdorf an.
Wenn man vom Hinterausgang des Bahnhof Friedrichstraße aus die Georgestraße hinunterging war auf der linken Seite die bekannte
Hajo-Bar, die viel von Künstlern und Literaten besucht wurde. Als Jens Gerlach einmal betrunken unter dem Garderobentisch herum krabbelte und laut nach seiner Pistole suchte, rief man die Polizei. Es war aber nur ein Zigarettenanzünder.
Weiter die Georgstraße hinunter in Richtung der Charité kam man an ihrem Ende zu einem Friseur mit zwei jungenFriseuren. Günter Wirth ließ den Friseurladen nie aus. Eine Haarwäsche mit Messerformscnitt kostete knappe 2,00 Ostmark, er gab einem der Beiden einen 5er, der lief zum Restaurant gegenüber und brachte drei Flaschen Radeberger, damals selten, mit. So hatte man für 5,00 Ost- Mark bzw. 1,19 Westmark für jeden eine Flasche Bier und einen Messerformschnitt für ´chief´.
Nahe der Charité war der Club der Intelligenz für Film- und Theaterschaffende, aber nicht für Maler. Mit Wirtht´s Drehbuchautor Jens
kam er dann rein . Jens widmete sich jetzt mehr der Verfassung von Drehbüchern zu. Günter Wirth wohnte oft den vielen Diskussio- nen mit Kunert und Kalau bei und war von der Ernsthaftigkeit und Sachkunde der Gespräche beeindruckt. Mehrmals gab er ihm so-
gar Drehbücher zwecks Überarbeitung mit nach West-Berlin.
Als Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR hatte Günter Wirth 1955 zwei Bilder aus Neapel eingereicht. Als er eines
Tages an der Garderobe des Freiherr-vom-Stein-Palais etwas abholen wollte, hörte er von der Garderobenfrau, daß im Kinosaal die Jury für die neue Ausstellung tagen würde. Er sagte ihr, daß dann zwei Bilder von ihm dabei sein würden. "Dann gehen Sie doch rein" sagte sie zu ihm. Günter Wirth war erstaunt "Geht das denn?", von West-Berliner Ausstellungen wußte er, daß die Jury nur ge-
heim tagt und deren Mitglieder nicht bekannt sind. Er ging also in den Kinosaal und setzte sich bescheiden in die letzte Reihe. Als von ihm der Reihe nach die beiden Bilder auf die Staffelei gestellt wurden, machte er den neben ihm sitzenden jungen Mann darauf aüfmerksam. Beide Bilder wurden von der Jury als zu formalistich abgelehnt. Da stand der Mann neben ihm auf und sagte der Jury, daß der Macher, ein West-Berliner, neben ihm sitze und vielleicht mehr hören würde. Vorn in der ersten Reihe drehten sich u.a. Fritz Cremer und Arno Mohr um und baten Günter Wirth mehr zu seinen Arbeiten zu sagen. Er tat es , und dann sagte Fritz Cremer, man sollte das dem Publikum zur Diskussion stellen, stimmen wir doch nochmal ab. Sie stimmten ab und einstimmig wurden beide Bilder
zur Ausstellung zugelassen
Beide Bilder wurden 1955 auf der Ausstellung ´Malerei-Grafik-Plastik in der DDR´ im Feiherr-vom-Stein-Palais für mehrere Tausend Ost-Mar verkauft. Da aber Günter Wirth West-Berliner war, wurde der Betrag nicht an ihn ausgezahlt, sondern kam auf ein Sperrkon- to. Jens wußtae Rat und ging mit Günter Wirth zum Ost-Berlinr Verlag der ´Der Mittag´, der von Wirth´s ständigen Neapel-Aufenthal- ten erfahren hatte . Der Verlag bot Günter Wirth an, in ihrem Auftrag Fotos für ein Buch ´Die Kinder von Neapel´ zu machen. Da er keinen vernünftigen Fotoapparat hatet ging Jens mit Günter Wirth und dem Auftrag zum Magistrat um die Aufhebung des Sperrkon-
tos zu beantragen. Das geschah unverzüglich.
Nun ging es zum Kaufen. Es gab in der DDR nur zwei sehr gute, die beide auf der Ausfursperre standen, die Exakta und die große Praktina, nicht zu verwechseln mit der Praktika, die es auch im Westen gab. Die Praktina ließ sich an nahezu jedes fotografische Pro- blem anpassen Es gab Wechselsucher, Wechselobjektive, einen Federmotor und einen Stereovorsatz für den Stereosucher.
Nach der Wende hat Günter Wirth mit Katja Gerlach telefoniert. Seiner Erinnerung nach ist Jens nach der Wende am 19.11.1990 freiwillig aus dem Leben geschieden. Wikipedia zufolge soll er in Hamburg gestorben sein.
ENDE