1942: Friesen Oberreal-Schule ***
Günter Wirth wurde zur Friesen Oberrealschule angemeldet. Den Vater seine Freundes Heinz Dölz bedrängte Heinrich Wirth es ihm gleich zu tun und seinen Sohn ebenfalls an der Friesen-Oberrealschule anzumelden. Eine Aufnnahmrprüfung brauchte Günter wegen seiner hervorragenden Zeugnisse der 5. Volksschule nicht machen.
Die Schüler der ersten Klasse setzen sich aus Jugendlichen des Charlottenburger Kiezes und einigen Siemensstädtern (heute der Bezirk Charlottenurg Nord) zusammen.
Die Friesen Oberrealschule war ein großer Komplex mit Haupteingang in der Kamminer Straße. Er umfaße drei sehr unterschiedliche Schulen. Zu seiner linken Seite war die Hilfsschule (heute Sonderschule), zur rechten Seite ein Seitenflügel mit einer Grundschule, im Mittelteil die Friesen-Oberealschule.
Die Pausen waren so eingetelt, daß sich die Schüler der 3 Schulteile nicht ins Gehege kamen. In der Großen Pause gab es die be- gehrte Schulverflegung. Hinter dem Schulkomplex lag der große Sportplatz, der auch von dem Deutschen Jungvolk, den Pimpfen der Hiitlejugend, und dem BDM (Bund Deutscher Mädel) benutzt wurde. Leider war er nur mit Schotter befestigt und hatte keinen Rasen. fehlte. Die Schüler trieben alle Arten von Leichtathletik oder spielten Handball, denn Fußball galt damals als Rabaukensport.
Günter Wirth spielte beim Handball immer Rechts Außen. Die Lehrkräfte waren zumeist Frauen, da die Männer zum Krieg an der Front eingezogen waren. Der Direktor der Friesenschule war der Parteigenosse Dr. Jungfer der sich sehr um seine Jungs kümmerte ünd und sehr beliebt war. Er trug immer seine Parteiuniform, die der SA ähnlich sah.
Gleichzeitig mit Günter Wrth´s Übergang zur Oberschule mußte er mit 10 Jahren in das Deutsche Jungvolk eintreten. Man hatte keine Wahl. Je nach dem Kiez, dem Wohnort bekam man die Zuordnung zu einer Einheit. Und so kam Günter Wirth in das Fähnlein 14 (zu erkennen am Schulterklappen-Knopf mit der Nummer 14, in den Bann 198 (auf der Schulterklappe aufgenäht) des Jungstamm 3 (Großberlin) am Ärmel des Uniformhemdes aufgenäht.
Der Dienst in der HJ sah Spielen, Sport und Exazieren auf dem Schotterboden des Sportplatzes hinter der Friesen-Oberrealschule vor. Wenn zufällig BDM-Mädchen in der Nähe waren, schmissen sich die Jungen beim Auf- und Nieder besonders mutig hin, egal, ob der Schotterboden mit Regenpfützen überzogen war oder nicht. Später gab es zu Hause Schimpfe der Mutter, wenn die Uniform schmutzig und zerrissen war.
Vorgesehen war allgemein ein zweimaliger Dienst pro Woche. Als Günter Wirth (10) einmal nicht pünktlich zum Dienst erschien, kam sein Jungschaftsführer Zerbel (13) ihn abholen. Als Heinrich Wirth ihm auf sein Klingeln an der Wohnungstür öffnete. erschrak Zerbel vor der Uniform und Orden des Vaters.
Am linken Rand des Sportplatzes noch vor den Schrebergärten war das Jugendheim des Fähnlein 14. Dort wurde gesungen oder am Unterricht teilgenommem. Man hörte von den Kriegserfolgen, unterhielt und diskutierte darüber. Antisemitische Themen gab es nicht
und von Judenverfolgungen oder Konzentrationslagern war nichts zu hören. Es gab ja auch 1940 keine Juden mehr.
Da Pimpfe auch zur Unterstützung der Luftzschutzwarte auf den Dacböden der Häuser eingesetzt wurden, mußte auch der Umgang mit Phospho- Stabbrandbomben geübt werden.
Besonders beliebt waren die Geländespiele in der Jungfernheide. Man marschierte vom Schulhof aus am S-Bahn- und Laubenpieper Gelände vorbei, unter der S-Bahnunterführung Jungfernheide hindurch, an einem Fabrikgebäude vorbei (heute Krankenhaus), alles auf einem Kopfsteinpflaster aus Findlingen. Dann überwand man eine große Kiesgrube (heute ein Kanal) und weiter ging es in den Wald (heute Stadteil Charlottenburg-Nord. Es gab die heutige Autobahn noch nicht, das Denkmal des im Duell getöteten ehemaligen Polizeidirektor stand noch tief inmitten des Waldes (heute am Rand der Autobahn). Den gemauerten Eingang zum Jungfernheide-
park.gab es ebenfalls noch nicht, er wurde erst nach Kriegsende von Lehrlingen gemauert.
1942 kamen nicht nur Nachts die amerikanischen fliegenden Festungen, deren Pfadfinder mit Christbäumen für die folgenden B-17 in Schwämen kommemmenden Maschinen die zu bombardierenden Gebiete absteckten, sondern nun Tagsüber die Lancaster und Manchester mit ihren Phosphor-Stabbrandbomben und Luftminen. Eine deutsche Luftabwehr wurde immer seltener, aber die vielen
8,8 cm Flakgeschütze verzauberten den Himmel über Berlin. Die Schuljungen hatten in den Fliegeralarm freien Pausen viele Granat- und Bombensplitter zu sammeln und in den Schulpausen zu tauschen. Jeder Schüler bracht immer seine volle Zigarrenschachtel mit.
Als die Luftangriffe immer häufiger wurden, evakuierte man Lehrer und Schüler in ländliche Gebiete. Die Friesen-Oberrealschule kam nach Preußisch-Holland in Ostpreußen, nahe der Grenze zu Elbing in Westpreußen. Die Mütter und die jüngeren Gechwister der Jungen durften sich den Evakuierten anschließen. Da Günter Wirth´s Mutter Schwerbeschädigt war mußte ihre Mutter, Günters Oma, mitahren. Die Zugfahrt mit der Kriegslok der Baureihe 52 verlief ohne Luftangriffe und auch die Fahrt durch den Korridor in
verschlossenen Abteilen ging ruhig von dannen.
In Preußisch-Holland warteten bereits auf dem Bahnsteig die Gasteltern auf die Berliner. Da Dr.Heinrich als Militärazt in Könisberg
ein Lazarett leitete, hatte ein junger SS-Arzt seine Praxis übernommen. Und so wartete nur Frau Heinrich mit ihrer Gesellschafterin Herta Hoppe auf dem Bahnsteig. Sie hatten nur zwei Personen erwartet, da die Großmutter nicht vorher angemeldet war. Aber das machte nichts. Sie führten die drei Personen zu ihrem Haus in der Bahnhofsstraße 8 und auf den Boden, wo sie bereits zwei Betten aufgestellt hatten. Nun wurde flugs ein Drittes dazugeholt.
ENDE (überarbeitet und ergänzt am 8.8.2018) FERTIG